© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/14 / 25. April 2014

Endlich die EU entmachten
Österreich: Nach der Ausbootung Mölzers versucht sich die FPÖ zu stabilisieren / Stadler will es noch mal wissen
Reinhard Liesing

Neun Parteien, von denen vier als dezidiert EU-kritisch einzustufen sind, treten in Österreich zur Wahl des Europarlaments an. Dabei führt eine Besonderheit dazu, daß am 25. Mai die Karten für die von Wien nach Brüssel und Straßburg zu entsendenden 18 Abgeordneten neu gemischt werden. Die Liste Hans-Peter Martin, damals vom Massenblatt Krone massiv unterstützt, hatte 2009 locker die Vierprozenthürde genommen und knapp 18 Prozent der Stimmen erhalten.

Denkzettelwahl gegen Rot-Schwarz

Da sie sich aufgrund innerer Zerwürfnisse, welches sich aus dem Alleinherrscher-Gebaren des Namensgebers ergab, selbst aus dem Rennen nahm, rechnen sich neben der „sozialen Heimatpartei“ FPÖ das 2005 von ihr abgespaltene BZÖ, die Rekos (Reformkonservative) sowie die Listen Europa Anders und EU-STOP Zuspruch aus den Reihen deren vormaliger Wähler aus. Die besten Chancen dürften hauptsächlich die FPÖ, in weit geringerem Maße das BZÖ und die Rekos haben.

Während die FPÖ und die zu Jahresbeginn neu entstandene Partei im politischen Spektrum Österreichs rechts angesiedelt sind und sich das BZÖ neuerdings „liberal“ zu geben versucht, sind Europa Anders (Verbindung zwischen KPÖ und Piraten) und EU-STOP (Zusammenschluß von „Neutralität für Österreich“ und „EU-AUStritt“) weit links einzuordnen.

Umfragen zeigen, daß von diesen Parteien lediglich die FPÖ mit der sicheren Entsendung von Abgeordneten ins EU-Parlament rechnen kann. Ihr billigen die Demoskopen einen Stimmenanteil zwischen 18 und 20 Prozent zu. Allerdings hat die FPÖ aufgrund der nach Attacken von außen entstandenen innerparteilichen Auseinandersetzungen über angeblich „rassistische“ Äußerungen ihres bisherigen Spitzenkandidaten Andreas Mölzer (JF 16/14) den bis dato demoskopisch prognostizierten Gleichauf-Stand mit SPÖ und ÖVP eingebüßt. Der von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erzwungene Kandidaturverzicht Mölzers, an dessen Stelle Harald Vilimsky tritt, läßt die Rekos auf „national-freiheitliche Mölzer-Anhänger und -Sympathisanten“ hoffen. Diese sind über die „PC-Korrektheit, in die sich jetzt auch die Strache-FPÖ begeben“ habe, schwer verärgert. Ohne das Mobilisierungspotential auch der bisher auf fünf bis sechs Prozent freiheitlicher Wähler geschätzten Burschenschafter und ihres Anhangs dürfte Straches Traum von Platz eins wohl ausgeträumt sein.

Dessen ungeachtet will die FPÖ den EU-Urnengang zu einer „Denkzettel-Wahl“ für die SPÖ/ÖVP-Regierung machen. Die FPÖ-Wahlaussagen sind daher von innen- und Europapolitischer Programmatik bestimmt. Innenpolitisch dominiert das Abwälzen der Hypo-Alpe-Adria-Bank-Pleite (JF13/14) auf die Steuerzahler; damit im Zusammenhang steht die grundsätzliche FPÖ-Mißbilligung von Euro-Rettungspaketen respektive jedweder Art von Schuldenvergemeinschaftung. Die FPÖ lehnt den weiteren Zuzug von Ausländern ab – sowohl nach Österreich als auch in die EU – und spricht sich für die Ausweisung „nicht-integrationswilliger Ausländer“ sowie von (Wirtschafts-)Asylanten aus. Sie tritt als unerbittliche Kämpferin wider die „Islamisierung Österreichs und Europas“ auf und lehnt einen Türkei-Beitritt rigoros ab: Es gilt das wiederholt verwendete Wahlkampfmotto „Daham statt Islam“.

Wiewohl sich Strache in Nationalrats- und Wien-Wahlkämpfen als „Freund des Serbentums und der Orthodoxie“ gibt, lehnt er die Aufnahme Serbiens, Montenegros, Mazedoniens, Bosnien-Herzegowinas sowie Albaniens und des Kosovos in die EU ab. Dasselbe gilt für die EU-Integration. Die FPÖ will im Gegenteil – und wie ihre Kooperationspartner von Front National, Schwedendemokraten, Vlaams Belang und Lega Nord – ein „Europa der Vaterländer“ bei Stärkung der Nationalstaaten.

Das BZÖ flog 2013 aus dem Nationalrat, daher versucht es bei der EU-Wahl den Neustart. Unglücklicherweise zog Zugpferd Ulrike Haider-Quercia, Tochter des 2010 ums Leben gekommenen Jörg Haider, deren Präsentation durch BZÖ-Chef Gerald Grosz einen enormen medialen Aufmerksamkeitswert erzeugte, ihre Kandidatur wegen „zu starker Fremdbestimmung“ wieder zurück. Woraufhin die zum BZÖ gewechselte bisherige EU-Abgeordnete Angelika Werthmann ihren Platz einnahm. Sie war 2009 über die „Liste Martin“ nach Brüssel/Straßburg gekommen, führt das BZÖ jetzt mit einer „proeuropäischen, aber durchaus EU-kritischen Haltung“ in die Wahl.

Das zumindest ist auch Ewald Stadlers Ziel. Der frühere FPÖ- und BZÖ-Politiker, der einst mit Mölzer um die intellektuelle Vorherrschaft im „Dritten Lager“ wetteiferte, ist Rekos-Spitzenkandidat. Rekos bekennt sich zur christlichen Wertordnung und Tradition des Abendlandes, zur staatstragenden Bedeutung der Familie und zum freien Eigentum. Man richte sich „an jene Wähler, die rechts- oder wertekonservativ sind und eine Alternative zur Strache-FPÖ brauchen“.

In einer ORF-Fernsehrunde sah Stadler die Liberalisierung der Finanzbranche durch die EU als Ursache der Krise und den Euro als „gefährliches Projekt, das die Völker Europas auseinandertreibt“. Werthmann legte dar, die EU sei nötig, um den Frieden zu erhalten, „aber es muß den einzelnen Mitgliedsstaaten mehr Souveränität gegeben werden“. Kritik übte sie an den „Finanzhilfen für die Krisenländer in der Euro-Zone wie Griechenland, die bei den Bürgern nicht angekommen“ seien.

Im Rekos-Wahlprogramm findet sich Stadlers Motto, wonach Europa „zu entschleunigen“ sei. Dies bedeute, „den Integrationsprozeß zu bremsen, wenn nicht sogar umzukehren“. Zudem wird die „Entmachtung der abgehobenen EU-Bürokratie, der arroganten EU-Funktionärseliten und EU-Oligarchen“ gefordert, ebenso „Subsidiarität und Rückbau von EU-Organen“. Die EU, so Rekos, sei hauptsächlich auf die Wahrung der vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes zu beschränken, ein „EU-Staat“ abzulehnen.

Foto: FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl und EU-Wahl-Spitzenkandidat Harald Vilimsky (r.) präsentieren ein Wahlplakat: „Zuviel EU ist dumm“

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