© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/14 / 25. April 2014

Abubakar Shekau führt Boko Haram, eine der schlimmsten islamistischen Terrorgruppen
Der Kopf der Hydra
Marc Zöllner

Abubakar Shekau ist ein Mythos. Das jedenfalls behaupten seine Anhänger. Kaum jemand hat ihn je zu Gesicht bekommen. Selbst mit seinen Führungskadern korrespondiert er nur per Brief. Er scheut öffentliche Auftritte, im Gegensatz zu seinen Vorgängern hält er kaum Reden vor Kämpfern seiner Boko Haram, einer der schlimmsten islamistischen Terrorgruppen Afrikas, die seit 2009 im Norden Nigerias vor allem Christen, aber auch gemäßigte Moslems ermordet, plündert und brandschatzt.

Nur zu besonderen Anlässen meldet er sich persönlich zu Wort. Etwa, wenn die Armee wieder einmal behauptet, ihn in den dichten Wäldern des Hinterlandes erlegt zu haben. Dann aber so, wie sein großes Vorbild Osama bin Laden: per martialisch inszeniertem Video, umringt von schwer bewaffneten Leibwächtern, mit der Flagge des Dschihad im Hintergrund. Zweimal schon soll er getötet worden sein. Zweimal trat er anschließend vor die Kamera, um Präsident Goodluck Jonathan erneut den Krieg zu erklären. „Niemand kann mich stoppen“, drohte er dann. „Und niemand wird mich töten können, außer es wäre der Wunsch Allahs.“

Dem nigerianischen Staat ist Abubakar Shekau ein Gegner der gefährlichsten Sorte. Wegen der Mauer des Schweigens, die er sogar innerhalb Boko Harams um sich hat errichten lassen, gibt die Identität seiner Person selbst dem Geheimdienst Rätsel auf. Er soll zwischen 35 und 44 Jahren alt und im Dorf Shekau im Nordosten oder aber im angrenzenden Niger geboren sein. Er hat Theologie studiert, wie er einmal dem nigerianischen Investigativjournalisten Ahmed Salkida erzählte, wohl zusammen mit Mohammed Yusuf, dem eigentlichen, 2009 von der Polizei getöteten Gründer der Extremistengruppe. Nach dessen Tod, Auslöser der bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Nord-Nigeria, ehelichte Shekau eine der vier Frauen Yusufs. Damit übernahm er auch die Führung Boko Harams.

Doch im Gegensatz zu Yusuf sieht Shekau, der neben dem Arabischen auch drei afrikanische Sprachen fließend beherrscht, jedoch aus Aversion gegen den Westen heraus kein Wort englisch spricht, das künftige Heil Boko Harams nicht im Predigen streng wahabitischer Lebensregeln. Viel lieber betreibt er den aktiven Angriff auf den Staat und seine Bürger, die er für den Tod seines Vorgängers verantwortlich macht. Daß das Morden eine seiner Leidenschaften darstellt, verhehlt er dabei nicht. „Ich genieße es, jeden zu töten, von dem Gott mir befiehlt, ihn zu töten“, prahlt Shekau in einem Video. „Genau, wie ich es genieße, Hühner und Schafe zu töten.“ Die Blutspur der allein in den letzten sechs Monaten über 2.000 von Boko Haram ermordeten Christen und Muslime, Zivilisten und Soldaten, ja ganzer dahingemetzelter Dörfer, etwa das vollkommen vernichtete christliche Izghe, scheint ihn darin zu bestätigen.

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