© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/14 / 18. April 2014

Die Bibel in der Glotze
Vox zeigt zu Ostern die monumentale Verfilmung der Heiligen Schrift, spannender und realistischer denn je
Thorsten Brückner

Die Los Angeles Times nannte sie „platt“ und „ermüdend“. Der konservative TV-Moderator Glenn Beck sprach hingegen von einem „gigantischen“ Meisterwerk. Die Rede ist von der Miniserie „Die Bibel“, die ab Gründonnerstag auf dem Sender Vox erstmals in Deutschland zu sehen ist. Mehr als 13 Millionen Zuschauer schalteten bei der Fernsehpremiere auf dem Spartenkanal History Channel in den USA ein. Der Erfolg gibt dem Hollywood-Produzentenehepaar Mark Burnett und Roma Downey also recht. Der TV-Gigant NBC, einer der drei großen Fernsehsender des Landes, orderte sogleich eine zwölfteilige Folgeserie.

Unabhängig davon, ob sich das Publikum nach dem Anschauen eher den Kritikern der Los Angeles Times oder der enthusiastischen Bewertung Becks anschließt: Die Produktion ist ohne Zweifel auf allerhöchstem Niveau. Das Epos kommt ebenso bildgewaltig wie effekt-reich daher. Kein Wunder: Burnett und Downey konnten die Macher des mit fünf Oscars prämierten Monumentalfilms „Gladiator“ für die Inszenierung der Spezialeffekte gewinnen.

Höhepunkte: die Teilung des Roten Meeres, die in keiner vorherigen Verfilmung jemals so realistisch gewirkt hat, das dramatische Erstarren von Lots Frau zur Salzsäule, als sie sich entgegen Gottes Weisung in Richtung der brennenden Stadt Sodom umdreht und die drei gefangenen Juden im Feuer des Babylonierkönigs Nebukadnezar.

Die 66 Bücher der Bibel in 481 Minuten zu erzählen ist eine Herausforderung, die Sprünge im historischen Ablauf ebenso notwendig macht wie Auslassungen. Zwischen der Fast-Opferung Isaaks durch Abraham und der Rückführung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei sahen sich die Macher gezwungen, über 400 Jahre biblischer Geschichte unberücksichtigt zu lassen.

Downey will „Die Bibel“ daher auch als Einführung in das Buch der Bücher gerade für die verstanden wissen, die mit Gottes Wort noch nicht so vertraut sind. Eine „auf Jesus gerichtete Liebesgeschichte“ sei die Produktion, die auffälligerweise nicht mit der Erschaffung des Menschen und dem Sündenfall im Garten Eden beginnt. Stattdessen ist es Noah, der zusammen mit seiner Familie in der von Fluten gebeutelten Arche Zuflucht vor Gottes Zorn gefunden hat, der seiner Familie und damit dem Zuschauer die ersten drei Kapitel der Genesis erzählt.

Brutale Gewaltszenen und inhaltliche Abweichungen

Neben den übersprungenen biblischen Geschichten haben sich Burnett und Downey in ihrem Achtstundenepos auch künstlerische Freiheiten genommen, die gerade bibeltreuen Christen in den USA übel aufgestoßen sind. So kann sich der Theologe Andy Naselli vom Bethlehem College aus Minnesota nicht zu einer „enthusiastischen Empfehlung“ durchringen, so gern er das nach eigenem Bekunden getan hätte. Einer von Nasellis Hauptkritikpunkten ist die leider in der Tat sehr häufige explizite Darstellung von Gewaltszenen. Neben dem ständigen Abschlagen irgendwelcher Körperteile überschreiten vor allem die Szenen, in denen Gefangenen die Augen eingedrückt werden und diese dann mit blutenden Augenhöhlen von der Kamera eingefangen werden, die Grenzen des guten Geschmacks. Soviel läßt sich sagen: Für Kinder unter zwölf Jahren ist die Serie, die in ihrer Brutalität noch über Mel Gibsons „Passion Christi“ hinausgeht, denkbar ungeeignet.

Gelungene Geschichte von Gottes Liebe

Auch der Vorwurf, die Serie opfere in effekthascherischer Manier wichtige Inhalte und verändere den Text teilweise dramatisch, ist nicht von der Hand zu weisen. Daß der biblische Held Samson schwarzer Hautfarbe war, erscheint aufgrund seiner Herkunft aus dem Stamme Dan höchst unwahrscheinlich. Auch weicht es deutlich vom Text der Heiligen Schrift ab, Samson als Sohn einer alleinerziehenden Mutter darzustellen. Beide Elternteile werden im Buch der Richter stets in einem Atemzug genannt. Haben sich die Produzenten hier etwa mehr an „Diversity“-Gesichtspunkten als am Text der Bibel orientiert?

Geradezu bizarr wirkt die filmische Verquickung nicht zusammenhängender Bibelstellen. So spielt König David gerade mit dem Modell des Tempels, den sein Sohn Salomo später bauen wird, als er Bathseba beim Baden zusieht. Als sich Jesus nach seiner Auferstehung einigen Jüngern offenbart, sitzt plötzlich auch der zweifelnde Thomas mit am Tisch, der, die Bibel zeigt es unzweideutig, erst später dem Auferstandenen begegnete, und durch das Hineinlegen seiner Hände in Jesu Wundmale an den Messias glaubt.

Hinzu kommt, daß auch „Die Bibel“ nicht der Versuchung früherer Bibelverfilmungen widerstehen konnte, zweifelhafte Darstellungen aus dramaturgischen Gründen beizubehalten. Daß es sich bei Isaak zum Zeitpunkt seiner Fast-Opferung um einen Knaben handelte und nicht um einen bereits erwachsenen Mann ist unter Theologen zumindest umstritten. Ein weiterer Kritikpunkt ist das dramatische Sterben von Säuglingen und Kindern in Ägypten während der zehnten Plage. Die Erstgeborenen waren in den damaligen Großfamilien in der Mehrzahl vor allem erwachsene Männer.

Den notwendigen Kürzungen sind zudem nicht nur wesentliche biblische Ereignisse zum Opfer gefallen. In der Kürze der Zeit schien es den Machern wohl unvermeidlich, die Charaktere aufs Typische zu reduzieren. Feine Schattierungen der Charakterzüge abseits von Schwarzweißkategorien, die historische Persönlichkeiten ausmachen, werden nicht herausgearbeitet. Dazu kommt eine stellenweise übertriebene Schauspielerei der Darsteller, was vor allem bei Herodes dem Großen und dem Apostel Paulus augenfällig wird. Ein solches „overacting“ ist der Zuschauer ansonsten eher aus Produktionen der fünfziger und sechziger Jahre gewohnt.

Authentische Wiedergabe des christlichen Glaubens

Trotz aller Einwände von Kritikern: „Die Bibel“ läßt die Heilige Schrift auch für Kenner in neuem Licht erscheinen. Großartig verfilmt ist die Versuchung Jesu durch den Teufel in der Wüste. Gerade diese Szene sorgte im Nachgang der TV-Ausstrahlung für eine hitzige landesweite Kontroverse. Grund: Die Teufelsgestalt in schwarzer Hautfarbe erinnert frappierend an den derzeit amtierenden amerikanischen Präsidenten: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! History Channel sah sich jedoch gleich zu einer Erklärung genötigt, in der der Sender seinen „höchsten Respekt für Präsident Obama“ zum Ausdruck brachte.

Gut gelöst ist auch der Moment, als Pontius Pilatus dem jüdischen Volk zum Passah-Fest die Freilassung eines Gefangenen anbietet. Obwohl Jesus noch eine Woche zuvor im Triumphzug und unter dem Jubel der Menge in Jerusalem auf einem Esel eingeritten war, verlangte das Volk von Pilatus nicht die Freilassung Jesu, sondern die des Rebellen Barabbas. Auf die Idee, daß Nachfolger Jesu, die dem Hohen Rat der Juden als solche in der Regel bekannt waren, erst gar nicht in den Richthof vorgelassen wurden, um ihre Stimme für den Sohn Gottes zu erheben, sind bisher nur wenige Bibelausleger gekommen, die sich mit der Frage quälen, was zwischen Palmsonntag und Karfreitag eigentlich zu dem Stimmungsumschwung geführt hat.

Was geschah zwischen Palmsonntag und Karfreitag?

Ihrem eigenen Anspruch, die Bibel als eine auf Jesus gerichtete Liebesgeschichte zu erzählen, sind die Produzenten unter Anleitung so namhafter Pastoren wie Joel Osteen und Rick Warren indes voll gerecht geworden. Bei aller Kritik bleibt also festzuhalten, daß der Film die Kernbotschaft des christlichen Glaubens authentisch wiedergibt: die Geschichte des Gottes, der die Menschen so liebt, daß er bereit ist, für sie die Schande der Kreuzigung zu erleiden.

Die Schlußminuten der Serie sollte in diesem Zusammenhang jeder Zuseher, der Gottes Liebe geringschätzt, als Warnung verstehen: Jesus, so beschreibt es der Apostel Johannes in der Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel, das er in hohem Alter auf der Insel Patmos niederschrieb, wird ein weiteres Mal auf die Erde zurückkehren. Nicht, um Sünden zu vergeben, sondern um all jene zu richten, die sich stur dem Gnadenangebot Gottes widersetzt haben.

Die Bibel. Vox zeigt die Kurzserie von Gründonnerstag bis Ostersonnabend jeweils ab 20.15 Uhr.

Foto: Jesus trifft Satan: Der Teufel ähnelt dem amerikanischen Präsidenten, was für Kontroversen gesorgt hat

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