© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/14 / 18. April 2014

Im Fadenkreuz der Homo-Lobby
Kampagne: Den erzwungenen Rücktritt des Mozilla-Chefs kritisieren selbst Schwulen-Aktivisten
Thorsten Brückner

Selbst dem linken TV-Moderator Bill Maher vom Sender HBO reichte es. Es gebe eine „Gay Mafia“ in den USA. „Wenn du ihr über den Weg läufst, wirst du kaltgemacht“, beendete er seine Gesprächsrunde zum Rauswurf des Mozilla-Chefs Brendan Eich. Seit dem Bekanntwerden des erzwungenen Rücktritts hat sich in Amerika eine lebhafte Debatte über die Umstände des Falls entwickelt.

Eichs Vergehen war nicht etwa, homosexuelle Mitarbeiter bei Mozilla diskriminiert oder sich abfällig über deren Lebensstil geäußert zu haben. Es war eine Spende, die Eich 2008 an eine Organisation in seinem Heimatstaat Kalifornien überwiesen hatte, die ihn zu Fall brachte: eine Organisation, die sich für den Vorrang der traditionellen Ehe eingesetzt hatte. Am selben Tag, als Barack Obama erstmals zum Präsidenten gewählt wurde, befürworteten die Bürger Kaliforniens mit rund 52 Prozent die sogenannte Proposition 8.

Mit Obama einte Eich an diesem Tag übrigens auch die Haltung zur Homo-Ehe. Unsicher, ob seine demokratische Basis in vermeintlich unsicheren Swing-Staaten schon für die Homo-Ehe bereit sein würde, entschied sich der damalige Kandidat Obama, in Sachen Ehe einen traditionellen Kurs zu fahren und die Homo-Ehe abzulehnen.

Bereits seit damals sieht sich Eich heftigen Angriffen wegen seiner Position ausgesetzt. Im April 2012 äußerte er sich dazu in einem Blogpost: „Ich werde weder auf meinem Blog noch auf Twitter meine Haltung zu Proposition 8 diskutieren“, schrieb er damals. Und fügte hinzu: „Es gibt keine Gesprächsbasis mit Leuten, die hetzen, zetern und mit Vier-Buchstaben-Beschimpfungen um sich werfen. Persönlicher Haß, der sich in Schimpfwörtern ausdrückt, ist weder vernünftig noch menschenfreundlich und starke Gefühle der einen oder anderen Seite können diese nicht rechtfertigen.“

Mozilla-Angestellte empörten sich öffentlich

Nach Informationen des Wall Street Journal traten drei Mozilla-Aufsichtsratsmitglieder unmittelbar nach der Entscheidung, Eich zu befördern, aus Protest zurück. Mehrere Angestellte bekundeten auf Twitter ihren Unmut gegen die Haltung ihres neuen Chefs zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Zum Verhängnis wurde dem Software-Genie, der die Programmiersprache Java Script erfunden hat, allerdings eine Kampagne der Dating-Plattform OkCupid, die zu den zehn größten Seiten ihrer Art in den Vereinigten Staaten gehört und mehr als drei Millionen Nutzer hat.

Jeder dieser drei Millionen Kunden, der am 30. März über seinen Firefox Browser auf die Seite ging, wurde mit einem Pop-up-Fenster begrüßt. Darin stand: „Mozilla-Chef Brendan Eich ist ein Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe. Wir würden es daher vorziehen, wenn unsere Nutzer OkCupid nicht mit Firefox-Software aufsuchen. Wenn es nach Personen wie Brendan Eich ginge, wären etwa 8 Prozent der Beziehungen, die wir vermittelt haben, illegal. OkCupid steht dafür, Liebe zu schaffen. Solche, die Liebe in Abrede stellen und stattdessen Elend, Scham und Enttäuschung durchzusetzen versuchen, sind unsere Feinde, und wir wünschen ihnen nichts als ihr Scheitern.“

Harte Worte von einem Unternehmen, dessen Chef ebenfalls eine Vergangenheit in Sachen Homo-Ehe hat. 2004 hatte Sam Yagan 500 Dollar an den früheren Kongreßabgeordneten Chris Cannon aus Utah gespendet, der sich im Wahlkampf gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen hatte und sowohl Antidiskriminierungsmaßnahmen am Arbeitsplatz als auch ein Adoptionsrecht für Homosexuelle strikt ablehnte. Rücktrittsforderungen gegen Yagan? Fehlanzeige. Einzig das ansonsten stramm linke Magazin Mother Jones hatte den Mut, die Heuchelei öffentlich zu machen. Ein größeres Medienecho blieb aus.

Unterstützung erhielt Eich von TV-Moderator Glenn Beck, der beim Thema Homo-Ehe zu den gemäßigteren Stimmen zählt. Er bezeichnete den Rücktritt Eichs als einen „amerikanischen Alptraum“, der ihn eher an die Zeiten des Kommunistenjägers McCarthy und die Hexenprozesse von Salem erinnere.

Er selbst, so Beck, sei immer wieder für Mitarbeiter und Freunde, die homosexuell seien, aufgestanden. Daß die gay community sich nun „mit diesem Wahnsinn abfindet“, enttäusche ihn daher sehr.

Dabei gibt es durchaus Anzeichen, die darauf hindeuten, daß die Homo-Lobby in ihrem Verfolgungseifer diesmal einen Schritt zu weit gegangen ist. Die liberale Fox-News-Analystin Kirsten Powers, die gern Evangelikale für ihre Engstirnigkeit in Sachen Homo-Ehe kritisiert, zeigte sich auf Twitter ungewohnt nachdenklich und fragte: „Wenn Chefs von Unternehmern gefeuert werden sollten, für Ansichten, von denen sich ihre Angestellten angegriffen fühlen, sollten dann auch atheistische Geschäftsführer gefeuert werden, wenn sie religiöse Angestellte haben?“

Konservative rufen zum Boykott auf

Noch schärfere Kritik an der Kampagne gegen Eich kam ausgerechnet vom homosexuellen Blogger Andrew Sullivan, der als großer Unterstützer der Homo-Ehe bekannt ist. Die ganze Sache widere ihn an, schrieb er. „Wenn das heute die Homorechts-Bewegung ist – unsere Gegner mit einem Fanatismus zu verfolgen, der mehr an die religiöse Rechte als irgend etwas anderes erinnert – dann rechnet mich bitte nicht mehr dazu. Wenn wir andere einschüchtern, ihr Recht auf freie Rede wahrzunehmen, sind wir nicht besser als die homohassenden Tyrannen, die vor uns da waren.“

Und diese Tyrannei ereilte Eich, ist sich die konservative Kolumnistin Mollie Hemingway sicher, nicht etwa wegen seiner Unterstützung für Proposition 8, sondern für seine Weigerung, seine Ansichten öffentlich zu widerrufen.

Einer der Aktivisten hinter der Anti-Eich-Kampagne, Michael Catlin, zeigte sich gar schockiert über dessen Rücktritt. Ihm sei es eigentlich vor allem um eine Entschuldigung gegangen, sagte Catlin. Daß jemand lieber zurücktritt, als sich für etwas zu entschuldigen, das keiner Entschuldigung bedarf? Eine Prinzipienfestigkeit, die in der Welt der Catlins und Yagans keinen Platz hat.

Konservative holen nun zum Gegenangriff gegen Mozilla aus. Angeführt von dem 29jährigen Gründer der konservativen Medienbeobachtungsplattform Truth Revolt, Ben Shapiro, haben sie eine Petition gegen die Nutzung des Mozilla-Browers organisiert.

Eichs stille Rache an OkCupid dürfte unterdessen süß sein. Die Datingseite arbeitet mit der von Eich entwickelten Programmiersprache Java Script. Wann immer sich auf der Seite ein Paar findet, verdient Eich laut Vertragsbestimmungen daran einen Dollar: auch bei homosexuellen Paaren.

Foto: Brendan Eich, Mozilla-Logo: Nach wenigen Tagen im Amt drängte ihn die Hobby-Lobby zum Rücktritt

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