© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/14 / 18. April 2014

Ist Griechenland wieder zahlungsfähig?
Finanzmarkt: Pünktlich zur EU-Wahl soll der Pleitestaat wieder so zahlungskräftig sein, daß er seine Anleihen regulär verkaufen kann
Christian Schreiber

Auf diese Erfolgsmeldung haben die Regierungschefs innerhalb der Europäischen Union gewartet. Griechenland hat sich auf die internationalen Finanzmärkte zurückgewagt. Und zur Feier des Tages kam dann auch noch Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Athen gereist.

Es war nur ein Kurzbesuch am vorigen Freitag, die Kanzlerin sprach mit dem Premierminister Antonis Samaras und vor mittelständischen Unternehmern. Vor knapp zwei Jahren wurde die CDU-Politikerin bei einem Auftritt in Athen noch übel beschimpft, das Mißtrauen zwischen ihr und dem griechischen Premier war spürbar.

Milliarden in Hilfspaketen versenkt

Merkel war die meistgehaßte Person Griechenlands. 30.000 aufgebrachte Menschen demonstrierten auf dem Platz vor dem Parlament gegen die Sparpolitik und gegen die Politik der Bundesrepublik: „Angela, du bist nicht willkommen“, stand auf Transparenten. Diesmal war der Empfang nicht so negativ. Es gab zwar wieder „Merkel raus“-Plakate, aber das Pfeifkonzert fiel nicht so laut aus wie 2011.

Die griechische Wirtschaft liegt am Boden, doch Merkel zog geschickt eine Parallele zu ihrer Herkunft und den Folgen der deutschen Einheit. Damals hätten auch viele Menschen ihre Arbeit verloren, viele sich in neuen Situationen zurechtfinden müssen, sagte Merkel und fügte hinzu: „Aber irgendwann haben sie erkannt, daß die Chancen und die Möglichkeiten überwiegen. Und ich bin ganz sicher, das wird auch in Griechenland so sein, trotz der schweren Wegstrecke.“

Soviel Lob konnte der heimische Regierungschef kaum fassen. Sechs Wochen vor der Europawahl sehen sich die Griechen plötzlich in der Rolle als Aushängeschild der EU-Politik.

Samaras erinnerte daran, daß er den Partnern immer versprochen habe, sein Land werde es schaffen. Und Griechenland habe es dank der EU-Partner „und der Deutschen geschafft“. Daran, daß Griechenland seine Probleme überwunden habe, glaubt niemand, wohl auch nicht Samaras selbst. Aber sein Land spielt seit einer Woche wieder auf dem internationalen Finanzparkett mit.

„Das könnte das Ende der Euro-Krise symbolisieren“, jubelte das Handelsblatt euphorisch. Das Land hatte zuvor eine Gruppe von Banken mit dem Verkauf einer fünfjährigen Anleihe im Volumen von rund drei Milliarden Euro beauftragt. Das Interesse der Anleger sei enorm gewesen, hieß es am vergangenen Wochenende, nachdem die griechischen Anleihen plaziert worden waren.

Diesen überraschenden Schritt hatte der griechische Finanzminister Ioannis Stournaras bereits vor Wochen angekündigt, den Zeitpunkt bis zuletzt aber offengelassen. Dabei betonte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, daß der Weg noch lang sei, bis es Griechenland gelinge, sich wieder allein finanzieren zu können.

Wenn alles nach Plan laufe, benötige Griechenland kein neues Geld aus weiteren Hilfspaketen von internationalen Geldgebern. „Ich will aber, was das Ende der Finanzierung betrifft, vorsichtig sein“, sagte er. Vorsichtig waren auch viele Reaktionen von Kommentatoren und Analysten, die sich der allgemeinen Euphorie nicht anschließen wollten.

Das Nachrichtenportal Spiegel Online sprach gar von einer „dubiosen Rückkehr“ Griechenlands an die Kapitalmärkte. Euro-Kritiker in Union und FDP verwiesen darauf, daß einzig die Garantie der EZB die Käufer in Sicherheit wiege und daher den Markt verzerre. Peter Gauweiler nannte die Anleihe ein „finanzpolitisches Alarmsignal“.

Auch für AfD-Chef Bernd Lucke, ist das Comeback des Krisenlands nicht mehr als eine Mogelpackung. In einem Strategiepapier schreibt der Parteichef, „daß die Krise in allen drei Aspekten (Staatsschuldenkrise, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Privatwirtschaft und Bankenkrise“) tatsächlich unbewältigt ist. Teilweise sei der Zustand heute schlimmer als vor vier Jahren. Ein Blick auf die nackten Zahlen bestätigt Luckes Einschätzung. Die Finanzkrise des südeuropäischen Landes hatte sich schleppend entwickelt: Abgebrochene Rentenreformen, Bilanz-Schummeleien und immer höhere Schulden.

Anfang 2010 forderten die privaten Anleger – in den meisten Fällen Banken – immer höhere Zinsen auf die Anleihen, mit denen sich der Staat finanzierte. Die Schulden waren da schon auf 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung gestiegen.

Vorwurf der Bilanzmanipulation

Am Ende blieb nur noch die Flucht unter das Dach der EU. Im Handumdrehen wurden milliardenschwere Rettungspakete geschnürt, Griechenland von den Finanzmärkten abgezogen. Bis heute sind rund 237 Milliarden Euro geflossen, ein Ende ist noch nicht absehbar.

Zweifelsohne hat die Regierung Griechenlands Sparmaßnahmen eingeleitet, versucht die explodierenden Ausgaben in den Griff zu bekommen. Doch das Bruttoinlandsprodukt ist im Vergleich zum Jahr 2010 von rund 230 Milliarden Euro auf etwa 180 Milliarden Euro zurückgegangen.

Die allgemeine Wirtschaftsleistung solle sich zwar bessern, doch selbst wohlmeinende Experten gehen bestenfalls von einer Stagnation auf niedrigem Niveau aus. Und auch im Bereich der Staatsverschuldung ist eine Trendwende noch nicht gelungen, im Gegenteil.

Betrug sie 2010 noch 120 Prozent des Bruttoinlandproduktes, so ist sie nunmehr auf 177 Prozent geklettert. Selbst in absoluten Zahlen ist nicht einmal ansatzweise eine Entschuldung gelungen, aktuell stehen 320 Milliarden den 300 Milliarden gegenüber, die im Frühjahr 2010 errechnet wurden. Der vergleichsweise geringe Anstieg erklärt sich damit, daß private Gläubiger im Jahr 2012 auf mehr als 100 Milliarden Euro verzichtet haben. Die griechische Regierung hat diese Fakten jüngst mit Vehemenz zurückgewiesen und eigene Erfolgsmeldungen verbreitet. So sei im abgelaufenen Jahr erstmals ein Primärüberschuß erzielt worden.

Damit ist ein Haushaltsüberschuß unter Herausrechnung der Zinsen, die ein Land für die Staatsschulden zu zahlen hat, gemeint. Schon machen Gerüchte die Runde, Griechenland habe die Bilanz frisiert, indem es Ende 2013 einfach einen Ausgabenstopp verhängt und fällige Zahlungen in das laufende Jahr geschoben habe.

Die Zahlen der EZB beziehungsweise von Eurostat widersprechen jedenfalls der Behauptung der griechischen Regierung: Es gibt keinen Primärüberschuß. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2013 ist das Defizit immer weiter gewachsen.

Der Überschuß im vierten Quartal, für das die Zahlen noch nicht vorliegen, müßte immens gewesen sein. Wo sollte er herkommen? Es spricht alles für eine erneute Täuschung der Finanzmärkte mit Bilanztricks wie 2002, als das Land wie von geisterhand die Defizitkriterien zu erfüllen schien und kurzfristig in die Eurozone aufgenommen wurde. Die Emission der Anleihe wurde übrigens von Goldmann Sachs übernommen. Jener Investmenbank also, deren tatkräftige Hilfe beim Schummeln seinerzeit den Griechen den Weg in den Euro ermöglicht hat.

Und selbst wenn es stimmen würde, bleiben Experten skeptisch. Jörg Rocholl, Professor an der ESMT-Hochschule in Berlin warnt: „Selbst ein Jahr Primärüberschuß wäre nur ein Etappenziel. Griechenland müßte über sehr viele Jahre hohe Primärüberschüsse ausweisen, damit es auch nur annähernd die Chance hat, seine Schulden zurückzuzahlen“, betonte er gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Daß sich derzeit wieder private Kapitalanleger für die griechischen Anleihen interessieren, ist nach seiner Ansicht nicht einmal überraschend. Schließlich habe Bundeskanzlerin Merkel nach dem Schuldenschnitt 2012 versprochen, daß private Investoren nicht noch einmal für Griechenland zur Kasse gebeten würden. Am Ende würden wieder die EU-Staaten haften und damit der Steuerzahler. „Das Spiel kann jederzeit von vorne beginnen“, warnt Rocholl.

Foto: Angela Merkel am vorigen Freitag mit dem griechischen Premierminister Antonis Samaras: Kritischer Blick beim Staatsbesuch in Griechenland

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