© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/14 / 18. April 2014

Grüße aus Madrid
Spaniens ganzer Stolz
Michael Ludwig

Vielen Spaniern mag es ein wenig kalt über den Rücken gelaufen sein, als sie in den Zeitungen lasen, daß in der Madrider Innenstadt, auf der Plaza de Colon (Kolumbusplatz), die riesige Nationalflagge zu Boden gekracht ist. Die Symbolik hätte nicht niederschmetternder sein können – nach Jahren der ökonomischen Krise, die dem Land das Mark aus den Knochen gesogen hat, und den Unabhängigkeitsbestrebungen der Basken und der Katalanen jetzt auch noch das! Spaniens Stolz lag buchstäblich am Boden.

Die Flagge, die sich stets mächtig im Wind gebläht hat, ist nicht irgendeine, denn ihre Ausmaße suchen ihresgleichen – sie mißt 21 mal 14 Meter (das sind 294 Quadratmeter) und wiegt 35 Kilogramm. Sie ist aus dem gleichen Stoff gefertigt, aus dem normalerweise die Segel für Segelschiffe hergestellt werden. Damit sie auch vorteilhaft zur Geltung kommt, haben sie die Madrider Stadtväter auf einem 50 Meter hohen Mast aufgezogen, dessen Lage so berechnet ist, daß der Wind sie stets von einer bestimmten Stelle aufbauscht, sie also sich so gut wie gar nicht verheddern kann.

Nun flattert sie, wie gewohnt, im frühlingshaften blauen Madrider Himmel.

Als Ursache für den Fall des rot-gelb-roten Tuchs, das Gott sei Dank niemanden verletzt oder gar erschlagen hat, nannte die Stadtverwaltung den Riß einer Schnur in der Halterung infolge orkanartiger Winde. Nach dem Unglück rückten die Feuerwehrmänner an, bargen die Fahne und zogen sie nach den entsprechenden Reparaturarbeiten wieder auf. Nun flattert sie, wie gewohnt, im frühlingshaften Madrider Himmel.

Ihre Geschichte begann im Jahr 2001, als der damalige Regierungschef José María Aznar von einem Staatsbesuch aus Mexiko-Stadt zurückkehrte. Dort hatte er auf der Plaza de la Constitucion die riesige Nationalflagge seiner Gastgeber bewundert und sich fest vorgenommen, daß eine ähnlich große auch die spanische Metropole schmücken müsse. José María Álvarez del Manzano, der damals als Bürgermeister Madrid regierte, erfüllte Aznar diesen Wunsch. Er ließ zwei Exemplare zum Stückpreis von rund 4.300 Euro nähen.

Doch nicht überall im Land stößt die Riesenfahne auf Begeisterung. Viele Basken und Katalanen, die sich von Spanien lossagen wollen, haben sie schon immer für ein sichtbares Zeichen des kastilischen und damit des spanischen Größenwahns gehalten. Sie dürften, als sie von ihrem Absturz erfuhren, eine klammheimliche Freude empfunden haben.

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