© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/14 / 18. April 2014

Frisch und fromm
Freikirchen: Gegen den Trend der beiden großen Konfessionen können die meisten unabhängigen Gemeinden nicht über mangelnden Zulauf klagen
Thorsten Brückner

Ein voller Gemeinderaum, Familien mit mehreren Kindern, die zwischen den Stuhlreihen umhertollen und ein gutgelaunter junger Pastor: Größer könnte der Kontrast zwischen dem oft in die Jahre gekommenen Publikum von Gottesdiensten der evangelischen Landeskirchen und den der Freikirchen kaum sein. In den letzten zehn Jahren waren es die Freikirchen, die die Fahne des Evangeliums in Deutschland hochgehalten und der Beliebigkeit der Lehre in den Landeskirchen eine bibeltreue Botschaft entgegengesetzt haben.

Mindestlohn und Migration sind kein Predigtthema

Pfingstgemeinden (ein Plus von 32,4 Prozent) und Freie evangelische Gemeinden (Plus 20,8 Prozent) haben in den vergangenen zehn Jahren einen gigantischen Mitgliederzuwachs erfahren. Dieser zieht sich nach Aussage eines Pfingstpastors aus Nordbayern quer durch alle Pfingstgemeinden im ganzen Land. „Noch nie hatten Pfingstgemeinden soviel Zulauf hierzulande seit ihrer Entstehung Anfang des 20. Jahrhunderts“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Dabei gebe es allerdings große Unterschiede zwischen Stadt- und Land. Während sogenannte „City-Churches“ einen regelrechten Boom erlebten, ginge das Wachstum ländlicher Gemeinden gerade in katholisch geprägten Gegenden deutlich langsamer voran. Aber immerhin: Selbst die von ihm geleitete Dorfgemeinde im katholischen Oberfranken, die er im Jahr 2009 mit sieben Mitgliedern übernahm, zählt heute Sonntag für Sonntag über 60 Besucher. Tendenz steigend.

Auch die Wahrnehmung vor Ort sei gestiegen. Kannte anfangs kaum jemand die neue Gemeinde, ist sie mittlerweile nicht nur fast jedem bekannt, sondern auch weitgehend akzeptiert und in das Dorfleben integriert. Warum gerade Pfingstgemeinden wachsen, merkt der Gottesdienstbesucher spätestens nach der Predigt. Seichte Themen wie Klimawandel, Mindestlohn oder Einwanderungspolitik finden hier nicht statt: Statt dessen predigt der Pastor aus Gottes Wort, der Bibel. Daran versuchen die Mitglieder auch überwiegend ihr Leben im Alltag auszurichten.

Der Besuch von Hauskreisen unter der Woche gehört ebenso selbstverständlich dazu wie das Geben des Zehnten (zehn Prozent des Einkommens an die Gemeinde). Der Gottesdienst ist hier kein Pflichtbesuch, kein leerer Akt der Erfüllung gesellschaftlicher Konventionen. Das merkt man auch bei dem für Freikirchen so typischen Lobpreis gleich zu Beginn des Gottesdienstes. Viele Besucher haben andächtig die Augen geschlossen, andere heben die Hände zum Himmel. Oberflächliches Singen nach Gesangbuch: hier kein Thema! Die Texte der Lieder werden mit einem Beamer an die Wand geworfen, die Instrumente sind modern: Gitarre, Keyboard, Trommeln.

Anders als in der EKD legen Freikirchen großen Wert auf die Stelle im Johannesevangelium, in dem Jesus dem Pharisäer Nikodemus erklärt, daß niemand in den Himmel gelangen könne, es sei denn, er sei von neuem geboren. Die große Mehrzahl der Gemeindemitglieder kann von einem solchen Bekehrungserlebnis berichten. Da Freikirchen in der Regel die Erwachsenentaufe praktizieren, kann auch niemand einfach in die Gemeinde hineingeboren werden. Auch für Kinder aus christlichen Familien gilt daher: Erst nach einer Taufe werden sie vollwertiges Mitglied der Gemeinde. Der Ausschluß der Kindertaufe reduziert die Wahrscheinlichkeit passiver Mitglieder dramatisch. Jedoch gibt es auch innerhalb der Freikirchen teils große Unterschiede in Theologie und Gottesdienstgestaltung, die sich auch im Wachstum niederschlagen.

Nicht alle Freikirchen wachsen. Die in Tradition und Liturgie sehr an der EKD orientierte Selbständig Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) mußte in den vergangenen zehn Jahren gar einen zweistelligen Mitgliederverlust verkraften. Auch Baptisten- und Brüdergemeinden verzeichneten seit 2002 überwiegend ein Minus. Eine Erklärung dafür könnte der Faktor Evangelisation sein. Gemeinden wachsen nicht nur über geburtenstarke Familien. In der Regel verzeichnen gerade die Gemeinden hohe Zuwachsraten, die Jesu Gebot, „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“, ernst nehmen. Pfingstler veranstalten häufig mehrfach im Jahr große Evangelisationskampagnen und stehen mit Ständen in Fußgängerzonen. Sie und andere Freikirchen bieten eine Alternative für all die, denen eine echte Beziehung mit dem Schöpfergott am Herzen liegt, der in vielen Landeskirchen längst aufs Abstellgleis geschoben wurde.

Bund Freier evangelischer Gemeinden www.feg.de

Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden www.bfp.de

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