© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/14 / 18. April 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ströbele und Snowden
Marcus Schmidt

Christian Ströbele hat Edward Snowden quasi adoptiert. Seitdem der 74 Jahre alte Grünen-Politiker im vergangenen Jahr als erster westlicher Politiker den 30jährigen früheren Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes NSA in Moskau besucht hat, versteht sich der Bundestagsabgeordnete als dessen politischer Fürsprecher in Deutschland. Ströbele hat Snowden, dem er in Deutschland Asyl verschaffen will, sozusagen zu seinem „Projekt“ gemacht. Das weiß spätestens seit vergangener Woche auch Ströbeles CDU-Kollege Clemens Binninger.

Völlig überraschend war dieser am Mittwoch von seinem Amt als Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses zurückgetreten, genervt von den Forderungen der Grünen und der Linkspartei, die Personalie Snowden ins Zentrum der Ausschußarbeit zu rücken. Das war so überhaupt nicht nach dem Geschmack Binningers, der skeptisch ist, ob eine Aussage Snowdens für den Ausschuß überhaupt einen Erkenntnisgewinn bringen würde. Zumindest müsse sich das Gremium zunächst die Materie erarbeiten, lautete der Plan.

Doch die Opposition, und allen voran Stöbele, der dem Gremium eigentlich nur als Stellvertreter für den Grünen-Obmann Konstantin von Notz angehört, ging gleich aufs Ganze und gab sich kompromißlos: Snowden soll nach Berlin kommen – oder in Moskau befragt werden. Möglichst schnell.

Für Binninger war damit das Maß voll. „Ich will im Ausschuß nicht gegen meine Überzeugung handeln“, begründete er seinen Rücktritt. Und mußte sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er die Fixierung der Opposition auf Snowden hätte voraussehen können.

Die Opposition vermutet indes etwas ganz anderes hinter dem von ihr als Verzögerungstaktik empfundenen Vorhaben von Union und SPD, Snowden – wenn überhaupt – erst zu einem späteren Zeitpunkt zu befragen. Konstantin von Notz machte denn auch für das Vorgehen Binningers massiven Druck aus der Fraktionsführung der Union und dem Bundeskanzleramt verantwortlich. Die Regierung hintertreibe die Aufklärung „des größten Überwachungs- und Geheimdienstskandals aller Zeiten“ durch massive Einflußnahme auf den Untersuchungsausschuß.

Nun leitet der bisherige CDU-Obmann Patrick Sensburg den Ausschuß. Er muß versuchen, das Gremium wieder auf eine gemeinsame Linie zu bringen. „Das ist kein Snowden-Untersuchungsausschuß“, sagte Sensburg und ließ doch durchblicken, daß er einer Zeugenvernehmung des Amerikaners offener gegenübersteht als Binninger. Aber auch er sagt: „Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen.“

Am vergangenen Donnerstag vertagte der Ausschuß das Thema Snowden gegen den Willen der Opposition auf Anfang Mai – und damit auf die Zeit nach Merkels Reise nach Washington. Von der Koalition gab es allerdings sogleich ein Versöhnungsangebot. Die Obleute von SPD und Union, Christian Flisek und Roderich Kiesewetter (CDU), versicherten, sie hielten Snowden für einen guten Zeugen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen