© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Umwelt
Öko mit Restrisiko
Tobias Schmidt

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Das durfte das Städtchen Staufen (Baden-Württemberg) am eigenen Leib erfahren. Das historische Rathaus sollte 2007 durch Erdwärme ökologisch beheizt werden. Hierzu mußten sieben Erdwärmesonden versenkt werden. Dabei drang auf 140 Metern in eine Anhydritschicht Wasser ein, so daß sich Gips bildete. Gips quillt auf wie ein Hefeteig, und so hob sich Staufens Ortskern bis heute um 60 Zentimeter an. Die jahrhundertealten Bauten sind regelrecht zerbrochen. 270 Häuser sind mit Rissen übersät. 70 Häuser können wahrscheinlich nicht gerettet werden. Noch immer hebt sich die Erde um monatlich drei Millimeter. Das Parlament spricht von einer „Öko-Katastrophe in Zeitlupe“ (Nr. 13-14/2014). Kürzlich besuchte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann Staufen und brachte 24 Millionen Euro für die Sanierung mit – ein Trostpflaster zur ökologischen Ehrenrettung! Der Erhalt des Ortskerns wird mindestens 50 Millionen Euro kosten.

Die Geothermietechnik ist verbesserungsbedürftig, denn Staufen ist kein Einzelfall.

Geothermieprojekte gelten als unerschöpfliche Ressource. „Allein die oberen zehn Kilometer der Erdkruste, also ein sehr kleiner und vergleichsweise kalter Teil der Erde, bergen […] das theoretische Potential zur mehr als 100.000fachen Deckung des gesamten aktuellen Energieverbrauchs der Erde“, heißt es vom Bundesverband Geothermie. Die oberflächennahe Geothermie kann zum Heizen genutzt werden; die Tiefengeothermie zur Stromerzeugung – ganz ohne Braunkohle und Atomkraft.

Allein die Technik ist verbesserungsbedürftig, denn Staufen ist kein Einzelfall. In St. Gallen (Schweiz) gab es ein Erdbeben infolge geothermischer Versuche. In Landau (Pfalz) hebt sich der Boden. In Schorndorf und Leonberg sackten Häuser ab. Es gibt keine Energie ohne Restrisiko.

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