© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Frisch statt deutsch
Volksmusik: Wie der MDR angebliche Deutschtümelei bekämpft und dabei sogar Schlagertexte ändert
Ronald Gläser

Das steht doch an jeder zweiten Eingangstür“, wundert sich Rocco Löser. Gemeint ist die Aussage „Deutsch und frei wollen wir sein“. Löser ist Sänger. Er macht Volksmusik. Am 29. März trat er in der Stefanie-Hertel-Show im MDR auf.

Diese 120minütige Sendung ist eine der wichtigsten Volksmusikproduktionen im deutschen Fernsehen; Hertel, die bereits als Vierjährige auf der Bühne stand, ist so etwas wie die Königin der deutschen Volksmusikbranche.

Löser verdient seinen Lebensunterhalt mit Volksmusik. Der Auftritt in der Sendung war für ihn wichtig. Eine Chance, die er sich nicht entgehen lassen durfte. Trotzdem war er unzufrieden mit dem Ablauf: Sechs Tage vor dem Auftritt nahm ihn der Produktionschef bei einer Probe beiseite und bat ihn, seinen Refrain zu ändern. „Können Sie nicht für diese eine Sendung die Zeile ändern, weil ‘deutsch und frei’ so nazihaft klingt“, soll der zu Löser gesagt haben.

Es geht um den Refrain des Liedes „Mir sei Erzgebirger“. Darin heißt es: „Sei deutsch und frei“. Löser sagte zur JF: „Ich kam mir zeitversetzt vor.“ Schließlich war auch in der DDR-Zeit der Spruch „deutsch und frei“ verboten, oft ersetzt durch „frisch und frei“.

Aber er wollte auch nicht aus der Sendung ausgeladen werden. Da die Aufforderung, den Text zu ändern, mit dem entsprechenden Nachdruck vorgetragen worden sei, habe er dann nachgegeben und wie zu SED-Zeiten bei seinem Auftritt „frisch und frei“ gesungen.

Ob die Anweisung für den geänderten Text vom Sender kam oder nicht, bleibt ungeklärt. Die zuständige Managerin der Produktionsfirma Saxonia wollte sich zu dem Vorgang auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT nicht äußern.

Zuletzt hatten Politiker im November 2013 Zensurvorwürfe gegen den MDR erhoben. Damals war ein Beitrag über Islamisten in der Leipziger SPD auf Druck der Partei aus der Mediathek entfernt worden. CDU-Politiker hatten dem Sender daraufhin vorgeworfen, sich „parteipolitisch einspannen zu lassen“.

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