© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

CD-Kritik: George Antheil
Antiker Futurismus
Sebastian Hennig

Richard Wagner äußerte sich gelegentlich verächtlich über des Klaviers mechanische Klangerzeugung. Er war immer zu einer kleinen Impertinenz gegenüber dem Klaviergott und späteren Schwiegervater Franz Liszt bereit. Es gibt diese Klavierschwadroneure und die Musikvisionäre, die das Suchen der Finger auf der Klaviatur als unkünstlerisch ablehnen. Es erstaunt bei letzteren ganz entschieden, Paul Hindemith stehen zu sehen, der meinte, die Musik komme vom Kopf in die Hand, nicht von der Hand in den Kopf. Dabei sind seine Holzpuppentänze und pianistischen Parodien der zwanziger Jahre ganz ähnlich dem Werk des amerikanischen Futuristen George Antheil, der sich in jenen Jahren anschickte, als eine Art Anti-Schumann Europa zu erobern. Sein Cousin Robert berichtet von den Zurüstungen: „Er bearbeitete das Klavier wie ein Wilder. Wenn seine Finger sehr wund waren, tauchte er sie in zwei Goldfischgläser voller Salzwasser.“ Im Juli 1922 kommt er in das graue Berlin, wo er sich im eigentlichen Element fühlt, und von wo er seine Karriere durchzieht und in Gastspielreisen die Hochburgen der Kritik berennt. Hier entstehen auch die meisten seiner irrwitzigen Klavierminiaturen, die Guy Livingston jetzt einspielte. Es sind musikalische Entsprechungen zu zeitgleich entstehenden Versen von Benn und Filmen von Murnau.

Antheil the Futurist, Klaviermusik von George Antheil www.wergo.de

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