© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Niedergang von Handel und Handwerk nicht alternativlos
So wird Amazon getrotzt
Markus Brandstetter

Das Internet, lesen wir überall, zerstöre den stationären Einzelhandel. Amazon und Konsorten machen deutschlandweit Buchhändler, Schuhverkäufer, Radio- und Fernsehgeschäfte, Modeläden und Sportgeschäfte platt. Kameraläden sind schon länger tot, bei Weinhändlern und Spielwaren fängt das Sterben gerade an. Da stellt sich die Frage: Können die unglücklichen Betreiber solcher Läden gegen ihren nahenden Tod überhaupt noch etwas tun – oder bleibt nur Resignation und die Geschäftsaufgabe, bevor es zu spät ist? Die Antwort ist: Es gibt viele Möglichkeiten, auch weiterhin gute Geschäfte zu machen. Die Betroffenen brauchen nur Phantasie, Kundenorientierung und Hartnäckigkeit.

Schuh- und Modehändler können sich zum Beispiel auf Senioren konzentrieren und diese bei sich zu Hause, also auch im Seniorenheim, besuchen und ihre Kollektion dort verkaufen. Die Deutschen werden immer älter, und viele Senioren haben Geld. Was sie nicht haben, ist die Möglichkeit, wie früher aus dem Haus zu gehen und selber einzukaufen. Also muß das Geschäft zu ihnen kommen. Mitten in der guten Stube werden Schuhe, Blusen und ganze Kostüme vorgeführt, anprobiert, und oft kann das Geld gleich kassiert werden.

Jetzt zu den Sport- und Spielwarenhändlern. Die sitzen zukünftig nicht mehr nur in ihren Läden und warten verzweifelt auf Kundschaft, sondern gehen ebenfalls raus, in Kinderheime und Horte, in Vereine, Fitneßstudios und Sportstätten und reden dort direkt mit Kindern und Sportlern. Nebenbei bauen sie eine Datenbank auf, die alle Kunden umfaßt. Ein Händler, der weiß, wer wann was in der Vergangenheit bei ihm gekauft hat, wer Familienverhältnisse, Mitgliedschaften in Sportvereinen und Freizeitgewohnheiten kennt, der braucht nicht mehr auf Kundschaft zu warten, sondern weiß von vornherein, was die Kunden wollen, und kann so gezielt auf sie zugehen.

Wer noch ganz altmodisch ein Fernsehgeschäft auf dem Land besitzt, der erinnert sich einmal daran, was Amazon und Media Markt alles nicht bieten können, nämlich: persönlichen Service auch am Wochenende, Hausbesuche wie früher die Ärzte, Reparaturen, Aufstellung und Abholung und verständnisvolles Zuhören bei Senioren, Geschiedenen und Alleinstehenden. Genau wie Elektriker und Installateure können auch Computer- und Fernsehhändler Wartungsverträge abschließen. Sie können alles über Senioren, die mit der Technik überfordert sind, wissen, sich regelmäßig erkundigen, was denn gerade gebraucht wird, und sogar Immobilien betreuen, deren Besitzer weit weg wohnen.

Möglichkeiten gibt es viele. Kein kleiner Händler muß am Internet zugrunde gehen. Er muß sich allerdings umstellen, viel mehr Service bieten, viel kundenfreundlicher sein als in der Vergangenheit, viel mehr kommunizieren und von sich aus auf die Kunden zugehen und sich aktiv und hartnäckig neue suchen.

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