© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Ziercke in der Edathy-Falle
Kinderpornographie: Die Aufklärung der Affäre des SPD-Politikers verlagert sich immer mehr auf das BKA
Lion Edler

Wolfgang Bosbach liegt wieder einmal über Kreuz mit seiner Partei. „Wenn ich Ihnen meine Meinung zu dem Ganzen sage, wird die Stimmung noch schlechter“, sagt der CDU-Abgeordnete während der Befragung von BKA-Chef Jörg Ziercke vor dem Innenausschuß des Bundestages. Der Ausschuß soll der Frage nachgehen, ob es bei den Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy wegen des Verdachts des Besitzes von Kinderpornographie zu Versäumnissen kam. Während die Koalition keinen Anlaß zu großer Aufregung sieht, ist der Ausschußvorsitzende Bosbach unzufrieden mit den bisherigen Ergebnissen. Parteikollegen sollen nun versucht haben, Bosbach von seinem kritischen Kurs abzubringen.

Grüne und Linke fordern Untersuchungsausschuß

Die Opposition will vor allem wissen, warum das BKA keine weiteren Nachforschungen über Edathy anstellte, nachdem es Ende 2011 von kanadischen Behörden eine Liste mit Kunden eines Pornovertriebs bekam, der auch mit Nacktbildern im Grenzbereich des gerade noch Legalen handelte. Zwischen Oktober 2012 und Oktober 2013 recherchierten vier BKA-Beschäftigte zum Fall Edathy – allerdings nicht wegen Kinderpornographie, sondern wegen eines vermeintlichen Sprengstoffanschlags auf den Briefkasten seines Abgeordnetenbüros. Als die Mitarbeiter daraufhin den Namen Edathy in das Computersystem eingaben, bekamen sie sämtliche Vorgänge angezeigt, in denen der Name auftaucht – also auch jenen mit Edathys Name auf der Kundenliste des Pornovertriebs. Doch im BKA tauschte man nur eine Vorgangsnummer mit dem Begriff „Besitz/Erwerb von Kinder-/Jugendpornographie“ aus. Daß Edathy sich in dieser Sache schuldig gemacht haben könnte, soll daraus nicht zu entnehmen gewesen sein. Der Frage, ob die Angelegenheit etwas mit der Explosion zu tun haben könnte, ging man nicht nach. Nach Angaben von Ziercke erklärt sich dies dadurch, daß die Beamten nicht für Kinderpornographie zuständig waren. Ein „Organisationsproblem“, wie Ziercke einräumt.

Die Opposition will nun wissen, ob Ziercke auch den damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über die Ermittlungen gegen einen leitenden BKA-Beamten wegen Kinderpornographie einweihte, nachdem der BKA-Chef nach eigener Aussage den ehemaligen Innen- und heutigen Kanzleramtsstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche darüber informierte. Ohnehin kritisieren die Grünen, daß Ziercke die Versetzung des BKA-Mitarbeiters in den Ruhestand verschwieg, nachdem der Beamte wegen Kinderpornographie zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Ziercke kann diese Kritik nicht gelten lassen, da er die Anonymität des Beamten wahren wollte. „Aus welchem Grund hätte ich die bürgerliche und familiäre Existenz des früheren BKA-Mitarbeiters gefährden sollen?“ In der aktuellen Aufregung sieht Ziercke denn auch eine „Medienhatz“. Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz will dennoch erkannt haben, daß Ziercke und die Bundesregierung „scheinbar versucht“ hätten, „zu vertuschen“. Von Notz bezeichnete es im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „skandalös“, daß der Innenausschuß von der Vorgeschichte mit dem Sprengstoffanschlag erst aus durch eine parlamentarische Anfrage erfahre. In drei Sitzungen sei der Ausschuß von Ziercke „nur unvollständig“ informiert worden. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, daß Grüne und Linke einen Untersuchungsausschuß anstreben.

Die Koalitionspolitiker und Ziercke appellieren indessen daran, den Ball flach zu halten. „Was soll noch untersucht werden?“ fragt Ziercke rhetorisch, nachdem er sich erkennbar genervt von dem Verfahren zeigte. Dem stellvertretenden Fraktionschef der Linkspartei, Jan Korte, unterstellte Ziercke, der SPD-Mitglied ist, denn auch eine „Profilneurose“. Unterstützung bekommt er vom innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann. Die Beamten hätten bei der Abfrage nach dem vermeintlichen Sprengstoffanschlag „den Treffer gesehen, aber keinen Grund gehabt, tiefer in die Materie einzudringen“.

Unterdessen wurde bekannt, daß die Bundestagsverwaltung offenbar bereits seit 2004 wußte, daß Edathy Nacktbilder von Kindern besitzt. Ein externer IT-Experte sagte dem Focus, er habe bei einer Datensicherung 20 Bilder von nackten Jungen auf Edathys Festplatte entdeckt. Sein Vorgesetzter gab danach an, die Informationen an den Bundestag übermittelt zu haben. Parlament und Staatsanwaltschaft wollten sich bislang nicht zu den Vorgängen äußern.

Foto: Wolfgang Bosbach (CDU) und BKA-Chef Jörg Ziercke: Nachforschungen biieben aus

 

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