© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Stefan Mappus gegen den Rest der Welt
Baden-Württemberg: Der bemerkenswerte Abstieg des bislang letzten Ministerpräsidenten der CDU beschäftigt Gerichte und Untersuchungsausschüsse
Michael Paulwitz

Steiler Aufstieg, tiefer Fall: Nach dem Machtwechsel in Baden-Württemberg beschränkt sich die politische Rolle des ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) darauf, in der Aufarbeitung der handwerklichen Fehler seiner Regierungszeit als Wahlkampfmunition für die grün-rote Koalition gegen seine Partei herhalten zu müssen, mit der er selbst tief zerstritten ist. Mit einem weiteren Untersuchungsausschuß will ihm Grün-Rot die Verantwortung für einen harten Polizeieinsatz am 30. September 2010 gegen Anti-„Stuttgart 21“-Demonstranten zuschieben.

In aufgeheizter Stimmung war an diesem Tag die Räumung des von Tiefbahnhofgegnern besetzten Baustellengeländes eskaliert. Mehrere Personen wurden verletzt. Im ersten Ausschuß noch zu seiner Amtszeit hatte Mappus jegliche Einflußnahme auf die Polizei-taktik zurückgewiesen. Jetzt will die Landesregierung Vermerke gefunden haben, die das Gegenteil nahelegen.

Das Kalkül hinter dem groß aufgemachten Bericht der Landesregierung und dem zweiten Untersuchungsausschuß, der vom 9. Mai an als ganz großes Geschütz auf die Klärung dieser Detailfrage angesetzt wird, ist durchsichtig: Grün-Rot will die pannenreiche Bilanz des letzten CDU-Ministerpräsidenten, der nur gut ein Jahr regiert hatte, noch einmal instrumentalisieren, um die wieder zur Macht drängende Union bis zur nächsten Landtagswahl 2016 so unvorteilhaft wie möglich aussehen zu lassen.

Dabei leidet die CDU an Mappus’ letztem Coup als Ministerpräsident noch heute genug. Der Rückkauf des Energieversorgers EnBW vom französischen Energieriesen EdF, im Dezember 2010 von Mappus am Parlament vorbei eingefädelt, sollte wohl den erst im selben Jahr ins Amt gekommenen Ministerpräsidenten rechtzeitig vor der Wahl als Macher profilieren. Tatsächlich wurde daraus ein Desaster mit Langzeitwirkung.

Noch im Oktober 2011 hatte der Staatsgerichtshof festgestellt, Finanzminister Willi Stächele habe mit seiner Unterschrift unter die Notbewilligung für den Sofortankauf der EnBW-Aktien ohne Parlamentsbeteiligung die Verfassung verletzt. Das kostete Stächele den Versorgungsposten als Landtagspräsident und Ex-Ministerpräsident Mappus seinen lukrativen Anschlußjob beim Pharmakonzern Merck. Seit 2012 ermittelt der Staatsanwalt zudem gegen beide wegen des Verdachts der Untreue, weil für den Rückkauf zwanzig Prozent oder fast 800 Millionen Euro zuviel gezahlt worden seien.

Mappus, dem ein Prozeß und möglicherweise sogar eine Haftstrafe droht, kämpft verbissen – auch gegen die eigene Partei, die ihn wie eine heiße Kartoffel fallenließ. Schon aus Trotz weigert er sich, aus der CDU, die er öffentlich schon mal als „Scheiß-Verein“ tituliert, auszutreten und die Rolle des alleinigen Sündenbocks anzunehmen. Er will nicht nur den Untersuchungsausschuß vor Gericht bringen, sondern verklagt auch die Renommierkanzlei Gleiss Lutz, die sein Kabinett mit einem haarsträubenden Fehlgutachten falsch beraten hatte, und den früheren Rechtsanwalt der Landesregierung Martin Schockenhoff, Bruder eines CDU-Bundestagsabgeordneten.

Kaum erinnert man sich noch daran, daß Mappus in seinen Zeiten als junger Aufsteiger und Fraktionsvorsitzender sich mit markigen konservativen Wortmeldungen zu profilieren pflegte und sich gerne mit seinem Vorbild Franz Josef Strauß vergleichen ließ. Bei seinem Amtsantritt war der damals jüngste amtierende Ministerpräsident für die Welt noch der „einzige Repräsentant des ausdrücklich konservativen Flügels der Union“ in führender Machtposition. Davon war bald nichts mehr zu hören – Mappus, der sich vor Erreichen des großen Ziels gerne mit kritischen Bemerkungen über „abstoßende“ Schwulenparaden, Homo-Adoption und Krippenprogramme, über „gruselige“ schwarz-grüne und „unterirdische“ Jamaika-Koalitionen gezielt als konservative Integrationsfigur positioniert hatte, umwarb als Ministerpräsident eifrig, aber wenig erfolgreich Grüne, Gender- und Einwanderungslobby. Den Mantel des konservativen Flügelmannes wollte er da schon nicht mehr haben.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen