© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Wenn Austritt die Alternative ist
AfD: Im Schatten des Aufstiegs der Euro-Kritiker sind manche auf der Strecke geblieben / Eine Stichprobe
Marcus Schmidt

Von null auf 18.000 Mitglieder in zwölf Monaten. Der Ansturm auf die Alternative für Deutschland ist beeindruckend. Doch beim Blick auf die Zahlen gerät in Vergessenheit, daß im selben Zeitraum Hunderte die Partei auch wieder verlassen haben. Aus Enttäuschung über den politischen Kurs, im Streit, nach persönlichen Auseinandersetzungen mit Parteifreunden oder einfach, weil sie das Interesse verloren haben. Unter den ehemaligen AfDlern finden sich einfache Parteimitglieder ebenso wie Kreis- und Landesvorsitzende und sogar einstige Mitglieder des Bundesvorstandes.

Auch Michael Heendorf zählt zu den Ehemaligen. Dabei gäbe es die Partei ohne ihn in dieser Form vielleicht gar nicht. Heendorf zählte zu den Gründungsmitgliedern, die 2012 erst die „Wahlalternative 2013“ mit aufgebaut haben, um schließlich Anfang Februar vergangenen Jahres das Wagnis einer Parteigründung einzugehen. In dieser Zeit war der Magdeburger eine treibende Kraft und mit seinem Auto Kreuz und quer in Deutschland unterwegs. Unermütlich hat er für die neue Partei geworben, Landes- und Kreisverbände mitgegründet. „Ich habe gearbeitet wie ein Tier, zwölf bis 14 Stunden am Tag.“ Ziel sei es gewesen, eine wirkliche Alternative zu den etablierten Parteien aufzubauen, basisdemokratisch und am gesunden Menschenverstand orientiert.

Heute sagt das ehemalige PDS- und CDU-Mitglied: „Die AfD ist leider nicht mehr meine Partei.“ Er sei „sehr, sehr entsetzt“, was aus dem hoffnungsvoll gestarteten Projekt geworden sei. Von den 16 Gründungsmitgliedern der AfD seien bereits acht wieder ausgetreten, rechnet Heendorf vor. Ende Dezember vergangenen Jahres warf er das Handtuch. Vorausgegangen waren Auseinandersetzungen im Landesverband Sachsen-Anhalt, dem Heendorf als Sprecher vorstand, sowie Streit über eine Reise nach Österreich. Dort wollte sich Heendorf zusammen mit dem AfD-Sprecher von Brandenburg, Roland Scheel, und dem Vorstandsmitglied aus Mecklenburg-Vorpommern Steffen Wandschneider ein Bild von der von Jörg Haider gegründeten Partei „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) machen. „Das hat zu erheblichen Verstimmungen im Bundesvorstand geführt“, bilanziert Heendorf. Dabei habe AfD-Sprecher Bernd Lucke von der Reise gewußt und im Vorfeld in einer E-Mail sogar gebeten, ihm über die Gespräche in Österreich zu berichten.

Überhaupt Lucke: Die Partei habe sich immer mehr zur Ein-Mann-Show entwickelt, sagt Heendorf und meint natürlich den AfD-Sprecher. Daher habe er auf dem ersten Bundesparteitag im April 2013 nicht mehr für den Vorstand kandidiert. „Dort ging es nie um inhaltliche Fragen“, bemängelt er. Doch gerade das mache eine Partei doch aus.

Die Reaktionen auf seinen Austritt seien unterschiedlich gewesen. „Manche waren glücklich, den Quertreiber endlich los zu sein“, berichtet Heendorf. Andere hätten ihm vorgeworfen, er habe die Flinte ins Korn geworfen. Heendorf sagt: „Wenn das Pferd tot ist, sollte man absteigen.“ Und er erhebt schwere Vorwürfe gegen seine frühere Partei, die er mittlerweile eine „kriminelle Vereinigung“ nennt. Von gefälschten Protokollen ist die Rede und von zweifelhaften Finanztransaktionen. Zudem lägen ihm Unterlagen über eine illegale Parteienfinanzierung vor. Auch wirft er der AfD vor, ihm private Auslagen für die Partei in Höhe von 4.600 Euro nicht erstattet zu haben. Vorwürfe, die von der Partei zurückgewiesen werden, aber so oder ähnlich auch von anderen Parteiaussteigern immer wieder verbreitet werden.

Der Gründungsvorsitzende der Nachwuchsorganisation Junge Alternative, Torsten Heinrich, ist ebenfalls kein AfD-Mitglied mehr. Kurz vor dem Bundesparteitag in Erfurt Ende März kehrte er der Partei den Rücken. Zu groß seien die außenpolitischen Differenzen geworden. Der Parteitag, auf dem die von Parteivize Alexander Gauland gehaltene rußlandfreundliche Rede zur Krim-Krise ohne Gegenrede geblieben sei, habe ihn bestätigt. „Das Kapitel AfD ist für mich abgeschlossen“, sagte Heinrich, der sich noch Ende Januar um einen Platz auf der Liste für die Europawahl beworben hatte, der JUNGEN FREIHEIT. Er wolle aber nicht mit Dreck werden: „Es hat ja auch Spaß gemacht.“

Diese Erfahrung teilt Heinrich mit Ulrich Abramowski (JF 34/13). Der ehemalige AfD-Landessprecher von Niedersachsen fand nach eigenem Bekunden an seinem „Ausflug in die Politik“ gefallen. „Doch damit war es vorbei, als die Intrigen losgingen“, berichtete Abramowski, der die AfD bereits im Oktober 2013 wieder verließ. „Die Partei hat eine Richtung eingeschlagen, die nicht mehr meine ist“, sagt er. Nach wie vor sei die programmatische Ausrichtung zudem äußerst dünn. „Ich könnte nicht sagen, wofür die AfD steht, welches gesellschaftliche Modell sie vertritt.“ Auch habe er sich anders als die AfD von einem EU-Kritiker zu einem EU-Gegner entwickelt. „Mir fehlt der Schulterschluß mit anderen Europakritikern wie der britischen UKIP von Nigle Farage“, bemängelt Abramowski. Alleine könne die Partei auf der europäischen Bühne doch nichts ausrichten.

Von Lucke, der doch aus demselben Wahlkreis komme, aber lediglich mit einem „Dreizeiler“ auf seinen Austritt reagiert habe, ist Abramowski enttäuscht. Er wirft dem Wirtschaftsprofessor, den er als „beratungsresistent“ charakterisiert, einen innerparteilichen Zickzackkurs vor. In entscheidenden Phasen führe er die AfD nicht konsequent genug. Wenn dann etwas nicht in seinem Sinne laufe, reiße er das Ruder zu stark herum.

Abramowski sagt, er habe gehofft, daß die AfD eine wirkliche Alternative zu den etablierten Parteien werde. Doch in Sachen „Sumpf, Dreck und Schmutz“ habe sie schnell mit den anderen gleichgezogen. „Da ist eine einzigartige Chance vertan worden“, bedauert Abramowski. Seiner Erfahrung nach wird die Partei zunehmend von „Polit-Opportunisten“ geprägt. Dennoch blicke der Ex-Funktionär nicht im Zorn zurück. „Ich wünsche der Partei nichts Böses.“

Mit seiner Stimme kann die AfD bei der Europawahl aber nicht rechnen. „Ich gehe gar nicht mehr wählen“, sagt Abramowski. Er sei zu dem Schluß gekommen, daß man das System nicht verändern könne, wenn man ein Teil davon ist. „Das funktioniert nur, wenn man wie in der DDR auf die Straße geht.“

Foto: AfD-Sprecher Bernd Lucke auf dem Parteitag in Erfurt: „Eine einzigartige Chance vertan“

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