© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Der Forschung immer eine Rüssellänge voraus
Resistente Malaria-Erreger: Herbe Rückschläge in der Krankheitsbekämpfung / Hoffnung Biotechnologie?
Frank Grajewski

Die Statistik der Weltgesundheitsbehörde WHO weist für die Malaria-Krankheit alljährlich etwa 200 Millionen Neuinfektionen und 700.000 Todesfälle aus. Alle Menschen in den tropischen Regionen, somit die Hälfte der Weltbevölkerung, sind der Bedrohung durch diese Krankheit permanent ausgesetzt. Und Abhilfe ist am Horizont der Forschung erst in zarten Konturen sichtbar.

Derzeit deuten vielmehr eine Reihe von Umweltfaktoren, die vordergründig nichts mit den medizinischen Problemen der Malaria zu tun haben, auf einen weiteren Siegeszug dieser Krankheit hin. Wie der Berliner Tropenmediziner Hermann Feldmeier ausführt (Naturwissenschaftliche Rundschau, 2/2014), sind es bislang ignorierte politische, ökonomische und ökologische Aspekte, denen künftig im Kampf gegen die Malaria eine Schlüsselrolle zukommen dürfte. Nicht mehr die längst „bis auf die molekulare Ebene entschlüsselten“ biologischen Reaktionsketten im Abwehrmechanismus des Menschen hätten im Mittelpunkt tropenmedizinischer Forschung zu stehen, sondern jene Bedingungen, die die Ausbreitung resistenter Parasitenpopulationen fördern. Es gelte Antworten auf die Frage zu finden, warum der wichtigste Erreger der Malaria tropica, Plasmodium falciparum, ein parasitischer Einzeller, den Anopheles-Mücken übertragen, der pharmazeutischen Industrie stets eine Nasenlänge voraus ist, da es ihm gelingt, auf zunächst wirksame Medikamente mit resistenten Populationen zu reagieren.

So gehörte Chloroquin bis Ende der 1970er Jahre zur Standardbehandlung der Malaria, mußte dann aber durch Mefloquin abgelöst werden. Zunächst als „optimales Nachfolgemedikament“ gepriesen, versagte aber auch dieses 1989 bei der Bekämpfung einer Malaria-Epidemie im thailändisch-kambodschanischen Grenzgebiet, wo innerhalb weniger Monate die Todesfallrate bei Patienten, denen Mefloquin verabreicht worden war, von null auf 47 Prozent stieg. Bereits 1995 hatte sich die resistente Parasitenvariante derart verbreitet, daß Mefloquin überall in Thailand „wirkungslos“ gewesen sei. Anschließend hätten die mefloquin-resistenten Plasmodien-Stämme rasch ganz Asien und das tropische Afrika erobert. „Die Ära eines medikamentösen Hoffnungsträgers im Kampf gegen die Malaria war bereits zwei Jahrzehnte nach Entwicklung des Arzneistoffs zu Ende gegangen.“

Epidemie in Brasilien verlief nach Schulbuch

Doch war dies nicht der letzte Rückschlag. Die jüngste Hiobsbotschaft versandten US-Tropenmediziner Ende 2012, als sie warnten, auch das wirksamste aller Malariamittel, das aus einer chinesischen Heilpflanze stammende Artemisinin, versage „zunehmend“.

Bei allen Triumphen des Malaria-Erregers über pharmakologische Abwehrsubstanzen leistete der Mensch wesentliche Hilfestellung. Jedesmal sei das Auftreten resistenter Erreger nach ähnlichem Muster verlaufen. Immer sei ihr Ausgangspunkt eine Region gewesen, in der im großen Stil nach Edelsteinen oder Gold geschürft wurde. Diese Gegenden erlebten zunächst einen massiven Zustrom nicht-immuner Menschen. Regelmäßig erkranke dann das Gros dieser Schatzgräber an Malaria, lasse sich mit dem wirksamsten Mittel behandeln und kehre in den ersten fieberfreien Tagen zurück zu den „Claims“. Bei einer abermaligen Infektion würden Reste des Medikaments in ihrem Blut die neu übertragenen Parasiten unter Selektionsdruck setzen und so die Entstehung resistenter Stämme evozieren.

Bei der akuten Malariaepidemie in den nördlichen Grenzgebieten Brasiliens könne man diesen Ablauf in schulbuchmäßiger Wiederholung studieren. Der Regenwald werde dort gerodet, ganze Distrikte verwandelten sich in Mondlandschaften mit Kratern, die als Tümpel ideale Brutstätten für die sich rasant vermehrenden Stechmückenarten Anopheles darlingi und Anopheles marajoara bilden. Kein Wunder, wenn das Amsterdamer Zentrum für Tropenmedizin einen dramatischen Anstieg der Malariaerkrankungen in Surinam registriert, wo seit 2011 „nahezu alle neuen Malariafälle“ dort auftreten, wo Goldminen liegen.

Auch hier, in einem riesigen Territorium mit desolater medizinischer Infrastruktur, habe die schnelle Rückkehr medikamentös scheinbar kurierter Glücksritter zu ihren Grabungsfeldern die Entstehung resistenter Malariaparasiten begünstigt. In Südamerika wie in Thailand sei daher der Raubbau der Edelstein- und Goldexploration verantwortlich für das „unermeßliche Leid“ von Millionen von Malariakranken und jene Hunderttausende von Todesfällen, die bei fortbestehender Wirksamkeit des ursprünglichen Malariamedikaments nicht aufgetreten wären. Dazu kämen enorme Folgekosten für die öffentliche Gesundheitsversorgung der betroffenen Länder. Denn die Therapie mit dem Nachfolgemedikament Malarone koste 30mal mehr als die mit dem wirkungslos gewordenen Mefloquin, das wiederum 12mal teurer war als Chloroquin.

Wie der Hase gegen den Igel, könnte die Pharmazie den Wettlauf mit dem zu immer neuen Metamorphosen animierten Malariaerreger verlieren. Wenn ihr nicht die Biotechnologie in einer Weise hilft, über die Gabriele Pradel (RWTH Aachen) und Matthias Scheuermayer (Zentrum für Infektionsforschung Würzburg) aufklären (Naturwissenschaftliche Rundschau, 1/2014). Da man heute über die Wechselwirkung zwischen dem Malariaparasiten und dem Organismus seiner Wirtsinsekten relativ exakt informiert ist, sei man vielleicht bald in der Lage, die Immunabwehrmechanismen der Stechmücken genetisch so zu verändern, daß den Erregern in der Mücke der Garaus gemacht werde oder daß Mücken überhaupt resistent gegenüber Plasmodien würden. Ob derart veränderte Insekten ihre wilden Artgenossen verdrängten und inwieweit sie für die Umwelt unbedenklich seien, bleibe indes noch zu untersuchen.

Foto: Malaria-Stechmücke Anopheles stephensi bei der Nahrungsaufnahme: Enorme Folgekosten für die öffentliche Gesundheitsvorsorge

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