© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Frisch gepresst

Ernst Nolte. Diese Memoiren sind ein Geschenk, das der Geschichtsdenker Ernst Nolte sich und seinen Lesern nachträglich zum 90. Geburtstag (JF 3/13) macht. Geboren im Januar 1923, als der Einmarsch französischer und belgischer Truppen gerade den „Ruhrkampf“ entfesselte, aufgewachsen im katholischen, nach 1933 „widerständigen“ Milieu einer Hattinger Lehrerfamilie, betrat der Bonner Gymnasiallehrer mit der Furore machenden Studie „Der Faschismus in seiner Epoche“ 1963 als später „Seiteneinsteiger“ die akademische Laufbahn, die er 1991 als Ordinarius an der FU Berlin beendete. Nolte muß, neben dem international weniger präsenten, 1992 verstorbenen Thomas Nipperdey, als bedeutendster deutscher Historiker nach 1945 gelten. Ein Rang, der den Meister des „nachvollziehenden Verstehens“ nicht vor öffentlicher Stigmatisierung bewahrte, nachdem er den „Historikerstreit“ ausgelöst hatte. In altersmilder Souveränität, im lakonischen Tonfall Fontanes, blickt der unangepaßte Gelehrte, der von sich sagt, er sei kein „sozialer Mensch“, sei auf „Cliquen und Netzwerke“ daher nie angewiesen gewesen, auf diese wacker bestandenen Lebenskämpfe zurück. (dg)

Ernst Nolte: Rückblick auf mein Leben und Denken. Lau-Verlag, Reinbek/München 2014, gebunden, 240 Seiten, Abbildungen, 27,90 Euro

 

Preußenbilder. Heerscharen von Historikern, die seit dem 19. Jahrhundert Preußens Geschichte erforschten, taten dies in einem Resonanzraum politisch-weltanschaulicher Erwartungen – auch noch nach der 1947 verfügten Auflösung des Staates Preußen. In den Siebzigern orakelte man allerdings schon über die abnehmende „konkrete Bedeutung“ eines versunkenen Staatswesens, das vielleicht nach der Wiedervereinigung kein „drängendes Problem“ mehr sein werde (Reinhart Koselleck). Trotzdem meint Hans-Christof Kraus, Herausgeber eines „kritische Sichtung“ anstrebenden Sammelbandes über die Preußenforschung zwischen 1918 und 1990, es gehe auch heute über mehr als „rein antiquarische Beschäftigung“ hinaus, wissenschaftshistorisch die Historiographie Preußens zu erschließen. Jenseits der Streitfrage, ob aktuell oder antiquarisch, bietet der Band jedenfalls eine imponierende Fülle von Fallstudien aus einer Ära, in der Historiker meinten, das Schicksal der Nation mitbestimmen zu können. (rs)

Hans-Christof Kraus (Hrsg.): Das Thema „Preußen“ in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik vor und nach 1945. Duncker & Humblot, Berlin 2013, broschiert, 471 Seiten, 98,90 Euro

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