© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Er konnte Marlon Brando nicht ausstehen
Filme für die Ewigkeit: US-Regisseur Francis Ford Coppola drehte „Der Pate“ und „Apocalypse Now“
Markus Brandstetter

Nein, besonders nett sind die nicht. Das merkt man schon an der Geschichte mit dem Pferd. Da ist der mächtige Studioboß in Hollywood mit der neuen Freundin, einer blutjungen Schauspielerin, die erst in sein Bett und dann auf die Leinwand soll. Und weiter ist da der italienische Sänger, der mit dem jungen Talent ebenfalls im Bett landet, allerdings noch vor dem großen Boß. Verständlich, daß der Chef den „Itaker“ nicht in seinem nächsten Film haben will. Da ist es gut, wenn man einen Freund hat, zum Beispiel Don Vito Corleone (im Film Marlon Brando), ebenfalls Italiener und nebenbei Oberhaupt der mächtigsten New Yorker Mafia-Familie. In diesem Fall unterstreicht er seine Bitte, dem italienischen Sänger-Schauspieler (eine Anspielung auf Frank Sinatra) die Rolle doch noch zu geben, durch eine spezielle Geste: Er läßt dem teuren Rennpferd vom Studioboß den Kopf abschneiden und diesen dann im Bett des Film-Moguls plazieren. Und der Sänger bekommt die Rolle.

Die Geschichte vom Pferdekopf ist eine der ersten Szenen aus dem Film „Der Pate“ des amerikanischen Regisseurs, Produzenten und Autors Francis Ford Coppola (Jahrgang 1939), und sie bildet die Ouvertüre zu einer Oper aus Mord und Totschlag, Freundschaft und Verrat, Liebe, Haß und Brudermord inmitten von drei Generationen einer Mafia-Großfamilie. Coppola hat wie Thomas Mann in den „Buddenbrooks“ Aufstieg und Niedergang einer Familie geschildert, nur daß die Familienmitglieder hier keine hanseatischen Getreidehändler, sondern Verbrecher sind und ihre Konflikte nicht mit Worten, Gesten und Testamenten austragen, sondern mit Pistolen, Schrotgewehren und der Garrota, der sizilianischen Würgeschnur.

Dialoge wie von einem modernen Shakespeare

Daß die Corleones nicht die normale italienische Familie sind, bekommt niemand mehr zu spüren als Kay, die amerikanische Ostküsten-Frau von Michael Corleone (Al Pacino), dem Chef und Paten der zweiten Generation. Dieser Michael ist voller Widersprüche: einerseits ist er klein, zart, intellektuell und patriotisch und wirkt wie ein Buchhalter. Auf der anderen Seite ist er brutal, rachsüchtig, ein eiskalter Killer, der selber zur Waffe greift und an einem denkwürdigen Tag, während sein erster Sohn nach dem Ritus der lateinischen Messe getauft wird, die Köpfe der anderen vier Mafia-Familien aus New York umbringen läßt und seinen eigenen Schwager gleich mit dazu.

Das schlimmste, was man so einem Mann antun kann, ist es, seinen Sohn abzutreiben, und genau das tut Kay, um die Ehe mit Michael zu beenden. Michaels Reaktion darauf, wie er schreit, wütet und tobt und dabei trotzdem kalt und beherrscht bleibt, wirkt auch heute noch erschütternd und verstörend. Kaum jemals sind Zerwürfnis und Gewalt in der Ehe realistischer dargestellt worden. Coppola hat im zweiten Teil des „Paten“ Dialoge und Szenen geschaffen, die von einem modernen Shakespeare stammen könnten. Und genau wie Shakespeare, der in seinen Stücken Humor und Ernst, Tragödie und Komödie immer mischt, verfügt auch Coppola über diesen unnachahmlichen Sinn für Psychologie, Figuren, Gegensätze und Proportionen, der so vielen heutigen Regisseuren, die zwei Stunden lang eine Gewaltszene nach der anderen abspulen, vollkommen abgeht. Es gibt Hunderte von Mafia-Filmen, aber nur Coppola erklärt, wo die Mafia herkommt, zeigt in langen Rückblenden das bukolische Sizilien, wo inmitten von Zitronenhainen, Mandelbäumen und Barockkirchen Haß und Blutrache ebenso gedeihen wie die mittelalterlichen Beziehungen zwischen den „Uomini d’onore“ (Männern von Ehre).

Die Qualität der „Paten“-Trilogie beruht neben der kraftvollen Handlung auf der ruhigen Kameraführung (kein Zoom, keine Luftaufnahmen), dem Ensemble herausragender Schauspieler (Marlon Brando, Al Pacino, Diane Keaton) und Nino Rotas genialer Filmmusik. Coppola hat von Sergio Leone („Spiel mir das Lied vom Tod“) gelernt, daß eine Musik, die von Verdi und Mascagni herkommt, einen Film nochmal so gut machen kann, weshalb er zu Nino Rota ging, der schon mit der Musik zu Fellinis „La Strada“ einen Hit gelandet hatte. Rota verwandelte ein sizilianisches Volkslied mit seinem charakteristischen Dur-Moll-Wechsel in ein melancholisches Leitmotiv, das die ganze Welt der Mafia in drei Minuten widerspiegelt.

Wie bei allen Coppola-Filmen waren auch beim „Paten“ die Probleme während der Dreharbeiten legendär: Der Produzent konnte den unzuverlässigen Brando, der viel zu dick war, seine Dialoge heiser nuschelte und sich seine Texte nicht merken konnte, nicht ausstehen. Das Drehbuch war bei Drehbeginn nur halb fertig und Coppola selber bekam einen Wutanfall nach dem anderen – die Leute am Set verglichen ihn mit Napoleon.

Aber als „Der Pate“ 1972 in die Kinos kam, war alles vergeben und vergessen. Zur Uraufführung standen die Leute in Sechserreihen um den Häuserblock, der Film gewann drei Oscars und in Cannes die Goldene Palme und spielte am Tag eine halbe Million Dollar ein. Coppola erhielt vom Studio einen 600er Mercedes und war mit 33 Jahren Multimillionär. Für den Sohn italienischer Einwanderer aus Detroit, der als Teenager wegen Kinderlähmung Jahre im Bett verbracht hatte, war das mehr, als er erhoffen konnte.

Kritik am unsinnigen Vietnamkrieg

Geld und Erfolg verderben den Charakter, heißt es, und auch auf Coppola trifft das zu, denn nach dem „Paten II“, der künstlerisch noch besser als der erste Teil und genauso erfolgreich war, nahmen in Coppolas Kopf surrealistische Ideen, die er immer schon gehabt hatte, kristalline Form an. Er schnappte sich ein Drehbuch über einen wahnsinnigen amerikanischen Obersten, der im Vietnamkrieg mit einer Privatarmee einen Dschungelkrieg gegen die Vietnamesen führt und sich dabei im Urwald als archaischer Gewaltherrscher verehren läßt, flog mit Sack und Pack auf die Philippinnen und fing an zu drehen.

Von Anfang an ging alles schief. Es regnete die ganze Zeit, ein Wirbelsturm zerstörte die Filmsets, Marlon Brando, der den wahnsinnigen Oberst spielt, verlangte pro Woche eine Million Dollar, war noch dicker als im „Paten“ und wie immer vollkommen unvorbereitet. Vier Spitzendarsteller und Kassenmagneten – von Steve McQueen bis zu Robert Redford – lehnten die Hauptrolle des Captain Willard, der Oberst Kurtz umbringen wird, ab, worauf Coppola sich mit Martin Sheen begnügen mußte.

Aber Coppolas Gestaltungskraft ließ ihn nicht im Stich. Die tagelange Fahrt des kleines Bootes immer tiefer in den Dschungel hinein, die Playboy-Hasen, die zur Unterhaltung der Truppen eingeflogen werden, und natürlich Wagners Walkürenritt, mit dem die US-amerikanischen Angriffe aus dem Hubschrauber untermalt wurden – das ergab eine filmische Kritik an einem unsinnigen Krieg, wie man sie nie zuvor gesehen hatte. Coppola gewann seine zweite Goldene Palme und den Oscar dazu, der Film spielte die Verluste durch das heillos überzogene Budget wieder ein und gilt heute als bester Vietnam-Film aller Zeiten.

Coppola hat danach nichts mehr annähernd so Gutes zustande gebracht, sein hypermodernes Studio verloren, Insolvenz angemeldet, sich nach und nach aber wieder berappelt. Heute lebt er – immer noch mit seiner ersten Frau verheiratet – als Winzer im kalifornischen Napa Valley, wo seine Weine inzwischen fast so legendär sind wie früher seine Filme. Am 7. April wird er fünfundsiebzig Jahre alt.

 

Francis Ford Coppola

Francis Ford Coppola wurde am 7. April 1939 in Detroit im US-Bundesstaat Michigan geboren und wuchs in einer Vorstadt von New York auf. Sein Vater war Musiker und Komponist, seine Mutter eine italienische Schauspielerin. Er studierte an der privaten Hofstra University, wo er Theaterseminare belegte und erste Bühnenauftritte inszenierte. Zu seinen prägenden Einflüssen während dieser Zeit gehörte der Film „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“ (1927) des russischen Filmemachers Sergei M. Eisenstein über die Oktoberrevolution. Coppola setzte sein Studium an der renommierten Filmhochschule der University of California, Los Angeles fort. Sein Regiedebüt lieferte er 1961 mit „Das gibt es nur im Wilden Westen“, einer kruden Mischung aus Erotikstreifen und Western. Zwei Jahre später drehte er mit „Dementia 13“ einen Horrorstreifen. Für beide Filme schrieb er auch das Drehbuch. 1968 lernte Coppola George Lucas kennen. Die beiden gründeten das unabhängige Filmstudio „American Zoetrope“.Das Mafia-Epos „Der Pate“ nach einem Roman von Mario Puzo bedeutete für Coppola schließlich den internationalen Durchbruch als Regisseur. Francis Ford Coppola gewann insgesamt fünf Oscars und viermal den Golden Globe.

Foto: Francis Ford Coppola während der Dreharbeiten zu dem Mafia-Epos „Der Pate II“ (1974): Er verfügt über einen Sinn für Psychologie

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