© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Das Rätsel der rumänischen Erntehelfer
Bayern: Manipulationsverdacht bei der Kommunalwahl
Falko Teuber

Ausgerechnet zum Beginn der Spargelsaison sorgt das längliche Gemüse abseits der Spargelfelder für politische und juristische Verwicklungen. Rumänische Erntehelfer eines Spargel-Großunternehmers sollen im bayerischen Geiselhöring dem CSU-Kandidaten für das Bürgermeisteramt zum Sieg verholfen haben. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Bei der Kommunalwahl in Bayern am 16. März war es bei der Auszählung der Stimmen am späten Sonntagabend zu einer überraschend starken Veränderung des Ergebnisses gekommen. Zunächst schien die Wiederwahl des bisherigen Bürgermeisters Bernhard Krempl (Freie Wähler) sicher, wenn auch nicht haushoch. Doch dann wurde der Briefwahlbezirk drei ausgezählt. Dieser veränderte das Ergebnis, denn nun lag unerwartet Herbert Lichtinger (CSU) vorn. Überraschenderweise wurde nicht nur der Bürgermeister selbst abgewählt, sondern auch alle Stadträte der CSU-Liste. Plötzlich tauchten Namen von CSU-Kandidaen auf den vorderen Plätzen auf, die vorher klar zurücklagen. Auf der Wahlliste standen Lichtingers Ehefrau, der Freund der Tochter, ein Cousin, eine Mitarbeiterin und der Nachbar der Familie. Sie erhielten auffällig viele Stimmen.

Seit diesem Wahlsonntag im März geht ein Gerücht in Geiselhöring um, das nicht verstummen will. Der CSU-Mann Lichtinger habe sich mit Hilfe rumänischer Erntehelfer des Spargel-Großunternehmers Karl Baumann das Amt verschafft. Das Ergebnis der Briefwahl sei verfälscht worden. Lichtinger selbst bestreitet die Vorwürfe vehement.

Dabei stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die Erntehelfer überhaupt wahlberechtigt waren. Seit dem 1. Januar 2014 gilt auch für Rumänen und Bulgaren die Freizügigkeit. Das bedeutet, daß sie in Deutschland leben und arbeiten können. Sie benötigen einen Hauptwohnsitz in Deutschland, von dem sie ihrer Arbeit nachgehen können. Dort können sie, zumindest bei Kommunalwahlen, auch wählen.

Die Wahlbeteiligung lag bei 90 Prozent

Im bayerischen Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, Kreistage und Landräte steht in Artikel 1, daß alle Personen wahlberechtigt sind, die am Wahltag Unionsbürger sind, das 18. Lebensjahr vollendet haben und sich seit zwei Monaten im Wahlkreis mit dem Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen aufhalten. Dieser wird dort vermutet, wo die Person gemeldet ist. Ist eine Person in mehreren Gemeinden gemeldet, wird der Schwerpunkt dort vermutet, wo der Hauptwohnsitz gemeldet ist. Der noch amtierende Bürgermeister Krempl (Freie Wähler) und seine Gemeinderäte haben daher die Wahl angefochten. Sie vermuten, daß die rumänischen Erntehelfer die Anforderungen des Wahlgesetzes nicht erfüllt haben.

Und noch etwas sorgt für Mißtrauen: Die Unterschiede zwischen den abgegebenen Stimmen bei der Urnenwahl zu den Briefwahlergebnissen seien so massiv, daß „hier tatsächlich etwas nicht stimmt“, teilte Krempl mit. Auch der gescholtene CSU-Mann will jeder weiteren Verdächtigung entgehen und hat beim zuständigen Landratsamt eine Überprüfung der Wahl gefordert. Denkbar ist zudem, daß jemand anstelle der Briefwähler gewählt und somit den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt hat. Dafür gibt es bislang aber keine Belege.

Fest steht das amtliche Endergebnis. Danach erhielt Herbert Lichtinger (CSU) 2.132 Stimmen, das sind 53,8 Prozent, Bernhard Krempl (Freie Wähler) 1.829 Stimmen, 46,2 Prozent der Stimmen. Das ist ein Vorsprung von 303 Stimmen für den CSU-Kandidaten, die ausschließlich durch die Briefwahl erreicht wurden. Der Spargelunternehmer beschäftigt 482 Erntehelfer. Die Wahlaufsicht des Landratsamtes hat zwischenzeitlich festgestellt, daß offenbar 465 von ihnen gewählt haben, fünf an der Urne, die anderen 460 per Briefwahl. Da alle Erntehelfer in Häusern des Spargelunternehmers und seiner Frau wohnen, könnte es sich um abhängige Menschen handeln. Selbst das Landratsamt hält die Bezeichnung „Baumann-Erntehelfer“ für gerechtfertigt, so die Leiterin Birgit Fischer-Rentel. Von den 465 Erntehelfern sind 265 verheiratet, leben aber nur zum Teil mit ihren Familien in Geiselhöring, 200 sind ledig. Erstaunlich ist die hohe Wahlbeteiligung bei den Baumann-Erntehelfern, die bei etwa 90 Prozent lag.

Am vergangenen Donnerstag hat die Frau des Spargelgroßunternehmers, Rosemarie Baumann, die Wahl ebenfalls angefochten. Parallel nahm die Staatsanwaltschaft wegen erwiesener Unregelmäßigkeiten die Ermittlungen auf.

Foto: Kleinstadtidylle im bayerischen Geiselhöring: Das Ergebnis kippte, als der Briefwahlbezirk ausgezählt wurde

 

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