© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ohne Zeugen und Akten
Marcus Schmidt

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz weiß jetzt, was der amerikanische Geheimdienst NSA davon hält, daß ein Untersuchungsausschuß des Bundestages seine Aktivitäten in Deutschland aufklären soll: Nichts. Vergeblich hatte sich von Notz im März während einer Reise in die Vereinigten Staaten um einen Termin bei der National Security Agency bemüht. „Da will man keinen Kontakt“, sagte das Mitglied des NSA-Untersuchungsausschusses den Lübecker Nachrichten.

Die Abfuhr, die sich der Grünen-Politiker eingefangen hat, macht das Dilemma deutlich, in dem das Gremium steckt, das in dieser Woche seine Arbeit aufnimmt und unter anderem die Abhöraffäre um das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel aufklären soll. An den eigentlichen Untersuchungsgegenstand kommen die deutschen Parlamentarier unter Leitung des CDU-Abgeordneten Clemens Binninger (Portrait Seite 3) nicht heran. Anders als der NSU-Ausschuß, der nahezu uneingeschränkt auf die Akten der deutschen Sicherheitsbehörden zugreifen und als Zeugen neben einfachen Ermittlern auch Minister und Geheimdienstchefs vorladen konnte, sind dem Gremium enge Grenzen gesetzt. Der in der vergangenen Woche aus dem Dienst geschiedene NSA-Chef Keith Alexander im Berliner Zeugenstand? Unvorstellbar. Ausschußchef Binninger sagt daher ganz offen: „Ich rechne in der Tat nicht damit, daß die amerikanische oder die britische Regierung und Akten zur Verfügung stellt oder Zeugen schickt.“

Doch nicht nur die NSA könnte sich als Hindernis für eine erfolgreiche Arbeit des Ausschusses erweisen. Auch der frühere Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der mit seinen Enthüllungen die Affäre ins Rollen gebracht hat und nun in Rußland sitzt, ist nur schwer greifbar. Bislang haben die Parlamentarier alles, was sie über die Abhörpraktiken der NSA wissen, aus den Medien erfahren, die von Snowden mit Dokumenten gefüttert wurden. Allein der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele hatte Ende vergangenen Jahres Gelegenheit, Snowden unter konspirativen Bedingungen in Moskau persönlich zu sprechen.

Der Obmann der Union im Untersuchungsausschuß, Patrick Sensburg, hat Snowden deshalb bereits aufgefordert, dem Gremium seine Dokumente auszuhändigen. „Da muß irgendwie Fleisch an die Knochen“, sagte der CDU-Politiker der Mitteldeutschen Zeitung. Snowden sei in der Lieferpflicht. „Man müßte sich jetzt mal an ihn wenden und sagen: Gib uns doch mal die Originaldokumente, daß wir das auch prüfen können.“ Glaubt man Snowden, könnte dies schwierig werden, denn der will alle Dokumente an Journalisten weitergegeben haben. Binninger ist daher skeptisch, ob es sich überhaupt lohnt, Snowden vorzuladen. „Seine öffentlichen Äußerungen zum Thema, zum Beispiel schriftlich gegenüber dem Europäischen Parlament, waren bisher allgemein gehalten und nicht sehr erhellend“, gibt er zu bedenken.

Viel schlechter könnten die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Aufklärung der NSA-Affäre kaum sein.

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