© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Wenn alle gewonnen haben
Große Koalition II: Union und SPD reklamieren den Entwurf zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes wechselseitig als Erfolg
Peter Möller

Es ist eines der folgenschwersten Projekte der Großen Koalition: die im Koalitionsvertrag vereinbarte Abschaffung der Optionspflicht bei der Staatsangehörigkeit für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern. Künftig wird die doppelte Staatsbürgerschaft in diesen Fällen als Regelfall akzeptiert.

Angesichts des Symbolgehaltes der Neuregelung konnte es der SPD gar nicht schnell genug gehen. Bereits in der vergangenen Woche legte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in Abstimmung mit Justizminister Heiko Maas (SPD) einen Entwurf für eine entsprechende Neufassung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vor. Demnach müssen sich Kinder, die seit ihrer Geburt neben der deutschen die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern besitzen, nicht mehr zwischen den Pässen entscheiden, wenn sie mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben.

„Riesiges Bürokratiemonster“

Gleiches gilt für den Fall, daß die Betroffenen sechs Jahre in Deutschland die Schule besucht oder hier einen Schul- oder Ausbildungsabschluß erworben haben. Bislang müssen sich Jugendliche bis zu ihrem 23. Geburtstag für eine Staatsbürgerschaft entscheiden.

Kaum lag der Kompromißvorschlag auf dem Kabinettstisch, begann in der Koalition der Kampf um die Deutungshoheit – mit teilweise interessanten Frontverläufen. „Die jetzt gefundene Lösung entspricht unserer Grundüberzeugung in der Integrationspolitik: Die Optionspflicht bleibt grundsätzlich erhalten und nur bei Erfüllung angemessener integrationspolitischer Voraussetzungen entfällt sie“, versuchte CDU/CSU-Fraktionsvize Thomas Strobl (CDU) konservative Unionswähler zu beruhigen.

Eine ganz andere Lesart verbreitet dagegen Strobls SPD-Kollegin Eva Högl. „Die Optionspflicht für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder wird explizit abgeschafft“, verkündete Högl stolz. Der Kompromiß vermeide bürokratischen Aufwand. „In der großen Mehrzahl der Fälle wird das Aufwachsen in Deutschland von der Behörde anhand der Meldedaten mit wenig Aufwand selbst festgestellt“, versucht die stellvertretende Fraktionsvorsitzende ihren Genossen den Kompromiß schmackhaft zu machen. Offenbar mit durchwachsenem Erfolg. „Es bleibt bei einem riesigen integrationsfeindlichen Bürokratiemonster“, gab sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung enttäuscht.

Aber auch in den Reihen der Union regt sich Widerstand. Einigen Politikern von CDU/CSU geht der Kompromiß zu weit. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), forderte im Tagesspiegel bereits Änderungen am Gesetzentwurf. Seine Kritik macht Mayer an zwei Punkten fest. „Es darf keinen Automatismus geben, sondern wer die doppelte Staatsbürgerschaft haben will, muß sich auch aktiv darum kümmern und bei den Behörden vorstellig werden“, forderte der Innenexperte. Unzufrieden sei er zudem mit der Regelung, daß sechs Jahre Schulbesuch ausreichten, egal ob ein Abschluß erworben worden sei oder nicht. Doch Mayer gibt sich optimistisch:„Es gibt kein Gesetz, das so aus dem Bundestag geht wie es reinkommt. Das erwarte ich auch in diesem Fall.“

Auch die SPD sieht sich noch lange nicht am Ziel. „Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein wesentlicher Schritt zu einem modernen Staatsbürgerschaftsrecht“, sagte Högl und macht damit deutlich, daß sich die SPD weitere Schritte wünscht.

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