© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Sinnvoll, aber zu spät
Armutseinwanderung: Die geplanten Abwehrmaßnahmen stimmen skeptisch
Rolf Stolz

Armut wandert. Das hat sie immer getan. Ob Zigeuner oder Nachkriegshamsterer – in der Bewegung liegt Hoffnung auf Überleben und ein wenig mehr. Wenn es kaum noch Grenzen gibt und aus ideologischem Illusionismus alle Grenzen beseitigt werden sollen (zumindest erst einmal in der Europäischen Union), dann wächst erstens unter dem Vorzeichen der Profitmaximierung und des globalen Finanzkasinos die Armut, dann werden zweitens immer mehr Menschen die zunehmend imaginären Grenzen überschreiten.

Genau das vollzieht sich vor unseren Augen und, o Wunder, mit lediglich ein paar Jährchen Verspätung diskutiert man in Berlin jetzt, was zu tun sei. Sprechen wir hier einmal nicht davon, daß eine laut Grundgesetz dem deutschen Volk verpflichtete Regierung sich an fremde, vom deutschen Wähler weder verantwortete noch kontrollierbare Gesetze (die EU-Gesetze zur Freizügigkeit) bindet, sprechen wir nicht davon, daß Kindergeld in Deutschland an die Kinder dieses Landes gezahlt werden sollte und nicht an Ausländerkinder im Ausland, vergessen wir für einen Moment unsere Utopien eines freien Volkes in einem freien Land – loben wir einfach einmal die Regierenden.

Stellen wir das begründete Mißtrauen gegenüber ihren Ankündigungen zurück. Ignorieren wir für den Moment, daß mehrere SPD-Provinzfürsten im Bunde mit der Integrationsbeauftragten Aydan Özoguz (SPD), dieser Lobbyistin der Migranten- und Islamverbände, die vom stellvertretenden SPD-Chef Olaf Scholz als „gelungene Lösung“ gepriesene Doppelpaß-Neuregelung noch weiter in Richtung Ausverkauf der deutschen Staatsangehörigkeit „nachbessern“ wollen.

Gegen die amtlich geäußerte Absicht, ein Ausnutzen der deutschen Sozialsysteme zu verhindern, kann nur derjenige etwas haben, der diese ausplündert oder der dieses Land ruiniert sehen will. Nur solche Zeitgenossen werden 30 statt drei Monate Geld während der Arbeitssuche verlangen oder gleich das Recht auf lebenslängliche staatsfinanzierte Arbeitssuche, nur sie werden in Wiedereinreisesperren für Mißbraucher und in der Ausweispflicht für Scheinselbständige und für die Kollegen vom Arbeiterstrich einen Angriff auf die Menschenrechte sehen.

Nur neoliberale Lassen-wir-es-laufen-Dogmatiker werden durch die Bekämpfung von Menschenhandel ihre Freiheit zum Ausnutzen der Ware Mensch bedroht sehen. Nur notorische Fälscher können leugnen, daß für 2014 eine Verdopplung der Armutsflüchtlinge erwartet wird, welche allein durch Kindergeld, die von den deutschen Steuerzahlern übernommene Krankenversicherung und Schwarzarbeit viel besser gestellt sind als in der alten Heimat und an deren Elendsquartieren sich deutsche und ausländische Miethaie eine goldene Nase verdienen.

Vergessen werden sollte allerdings nicht, daß hinter den hohen Zuwanderungszahlen sich völlig verschiedene Konstellationen verbergen. Auch Tausende von Ärzten, Informatikern und Technikern verlassen die vom brain drain, vom Abwandern der Klugen, ruinierten und ohnehin mit einer multikriminellen Herrschaftskaste aus den alten Wendehälsen der Nomenklatura und neureichen Geschäftemachern gestraften neuen EU-Länder.

Als es vor Jahrzehnten noch eine denk- und analysefähige Linke in Deutschland gab, übte sie genau an diesem Mechanismus, der immer schon von den Superreichen in den Metropolen gezielt eingesetzt wurde, Kritik. Aber seit die sogenannte Linke nur noch aus SED-Nachfolgern, stupiden Zitatenleierern und gefühlsduseligen Selbstmord-Propagandisten besteht und sich nur noch für Posten und Pfründen interessiert, ist das ABC der Realitäten ersetzt durch begeistertes politisches Analphabetentum.

Eine humane und tragfähige deutsche Politik kann weder darin bestehen, die Armen der Welt in unseren Vorgärten durchzufüttern, noch darin, den ärmeren Ländern der Welt die intellektuelle Elite zu rauben. Ein fairer Interessenausgleich ist erforderlich, nicht die Bevormundung und Übervorteilung der Stammbevölkerung. Eine eng begrenzte Zahl von arbeits- und integrationswilligen Armutsflüchtlingen kann unser Land brauchen und vertragen, wenn die nötigen Maßnahmen ergriffen werden: Unterbringung ausschließlich in menschenwürdigen und günstigen staatlichen oder kommunalen Wohnungen, Beschäftigung ausschließlich über eine staatlich kontrollierte Transfergesellschaft, sofortige Abschiebung bei Straffälligkeit. Andererseits sollte uns eine vertretbare Anzahl qualifizierter Zuwanderer willkommen sein, die nach einem strengen Punktesystem wie in Kanada und Australien ausgewählt werden.

Es gibt eben nicht nur die Interessen von Neuankömmlingen, die dieses Land nicht gerufen und nicht eingeladen hat. Patriotismus auf Kosten anderer – das gab es in den Weltkriegen reichlich: Kriegsgewinnler und Drückeberger fern der Front forderten von den Soldaten deren Heldentum. Menschlichkeit auf Kosten anderer – das ist heute die vorherrschende Masche. Wie viele Roma wohnen denn mietfrei bei unseren Gutmenschen und Willkommenskultur-Predigern und werden von diesen ernährt?

Die hart arbeitenden Menschen in diesem Land, Deutsche und eigenverantwortliche Ausländer, tragen diesen Staat. Sie sind es, die noch mehr durch Nichtstun der Mächtigen wie durch deren fatale Projekte aufgehalste Lasten tragen sollen. Aber es soll schon vorgekommen sein, daß ein Volk sein Joch abschüttelt.

 

Rolf Stolz war einst Mitbegründer der Grünen und lebt heute als Publizist in Köln.

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