© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Akif Pirinçcis Zorn
Wutausbruch eines Schriftstellers
Dieter Stein

Ein Mann läuft Amok. Dem Schriftsteller Akif Pirinçci ist der Kragen geplatzt. Auf sein Konto geht ein zwischen Buchdeckel gepreßter Wutausbruch: „Deutschland von Sinnen – Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“. Es wimmelt in diesem Buch von vulgären und beleidigenden Stellen. Pirinçci hatte es jedoch satt, die Kritik auf Raumtemperatur herunterzudrehen. Er will den Lesern, der Öffentlichkeit die Wirklichkeit um die Ohren hauen, zumindest das, was er für sie hält.

Dabei enthält sein Buch zärtliche, literarische Passagen. Insbesondere, wenn er sich poetisch vor Deutschland („Du schönstes aller schönen Länder“) verneigt, das ihn und seine Familie Mitte der sechziger Jahre als türkische Gastarbeiter aufgenommen hatte. Pirinçci, durch Katzenkrimis in Millionenauflagen zum Erfolgsautor geworden, kann das Gerede von der vermeintlichen Diskriminierung von Ausländern nicht mehr hören und stellt knapp fest: „Ich glaube, wer sich in Deutschland anständig benimmt, dem passiert das in der Regel auch nicht.“

Pirinçci wählt in seinem Buch drastische Mittel, denn er hat mit angesehen, wie vernünftig und akademisch argumentierende Sachbuchautoren, die vor einer blauäugigen Multikulti-Politik und linken Utopien warnen, vom großen Magen des öffentlichen Diskurses verdaut und folgenlos ausgeschieden wurden. Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“: 1,5 Millionen Mal verkauft. Die Wellen des Meinungsstromes schlugen nach einigen Monaten der Erregung wieder über ihm zusammen, und das Land steuert ungebremst Richtung rot-grüner „Brave New World“.

Wie Bauschaum hat die Politische Korrektheit die Spielräume verklebt. Pirinçci ahnte, daß durch das „zigste Sachbuch über deutsche Mißstände mit rechthaberischen Tabellen und grauen Zahlenkolonnen“ nichts mehr auszurichten wäre, daß die „schweigende Mehrheit sich selbst gegen den größten von Vollidioten ausgeheckten Schwachsinn nicht mehr wehrt“. Pirinçci mußte sich „austoben, brüllen“, den Gegner beleidigen, um ein „Kehr um!“ in das Land zu schreien.

Es ist bemerkenswert, daß uns ein Einwanderer wachrütteln muß, der seine neue Heimat liebt und darunter besonders leidet, wie sehr „eingeborene“ Deutsche sich wehrlos machen, ihren Stolz aufgeben, sich in mediale Zwangsjacken stecken und Knebel in den Mund schieben lassen, die ihre Selbstaufgabe zu einer kosmopolitisch-progressiven Weltanschauung überhöhen und Landnahme als Befreiung schönreden.

Vielleicht gelingt es nur durch Drastik à la Prinçci, das weiße Rauschen einer weichgespülten, in Dutzenden Talkshows von Leisetretern entschärften Debatte zu übertönen, um uns am Kragen zu packen und so lange zu schütteln, bis das Gehirn endlich wieder selbständig arbeitet.

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