© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

Blick in die Medien
Darf Tatort-Polizistin wie tote Jüdin heißen?
Toni Roidl

Der Tatort ist ein Extrembeispiel dafür, wie ein Unterhaltungsformat mit Propaganda verhunzt wird. Das waren noch Zeiten, in denen Krimis richtig spannend waren und den Zuschauer zufrieden ins Bett schickten. Die Zuschauer wollten Unterhaltung, die Autoren lieferten sie. Heute wird das TV-Publikum oft politisch erzogen. Kaum ein Tatort, in dem nicht eine soziale Ungerechtigkeit zu beweinen wäre und in der das Monster hinter der Fassade deutscher Bürgerlichkeit enttarnt würde. Gääähn!

„Wir tun hier etwas Gutes. Wir lassen Selma Jacobi als Heldin wieder auferstehen.“

Nun hätte die politische Färbung des Sonntagabend-Krimis beinahe ein neues Niveau erreicht: Die neue Frankfurter Kommissarin sollte den Namen des Holocaustopfers Selma Jacobi erhalten, die 1943 in Theresienstadt gestorben ist. Die Inspiration zu dieser Namensgebung kam der Schauspielerin durch einen Stolperstein vor ihrer Berliner Haustür. Der Hessische Rundfunk war begeistert von der Idee. Die Leiterin des HR-Fernsehspiels jubelte: „Ich wäre glücklich in meinem Grab, wenn so an mich erinnert würde. Wir lassen Selma Jacobi als Heldin wieder auferstehen.“

Nicht alle sind so begeistert. Die Jüdische Gemeinde bezeichnete diese Art des Gedenkens als „unpassend“. Selbst die Initiative Stolpersteine von Gunter Demnig findet die Idee „befremdlich“.

Angesichts der Kritik ruderte der HR zurück und erklärte, auf den Namen zu verzichten. Offiziell heißt es: „Die Rolle wäre immer mit dem Holocaustopfer Selma Jacobi in Verbindung gebracht worden. Eine freie Weiterentwicklung der Figur wäre unter diesem Aspekt nicht mehr möglich.“ Aha. Was eben noch als Nonplusultra gefeiert wurde, gilt jetzt nicht mehr. Den Zuschauern dürfte dieses Theater egal sein, wenn die Krimis endlich wieder spannende Unterhaltung bieten. Wer sonntagabends einen Tatort schaut, sucht Entspannung, – und keine Konfrontation mit deutscher Vergangenheitsbewältigung, Elend und Gewalt.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen