© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

Mit dem Zweiten sieht man staatsnah
Das Bundesverfassungsgericht will den Einfluß der Parteien auf das ZDF geringfügig zurückdrängen
Taras Maygutiak

Die Zusammensetzung des Fernseh- und Verwaltungsrates des ZDF ist nicht verfassungskonform. Das hat der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag in Karlsruhe festgestellt. Die Länder sind nun verpflichtet, bis spätestens 30. Juni 2015 eine Neuregelung zu treffen.

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll die im Gemeinwesen vertretenen Meinungen facettenreich widerspiegeln. Er darf aber nicht zum Staatsfunk werden, der lediglich die Auffassungen von Regierung und Exekutive verbreitet“, sagte Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof in seiner Einführungsrede zur Urteilsverkündung.

Bauchschmerzen hatte der ZDF-Staatsvertrag den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hamburg bereitet, die Klage eingereicht hatten, weil sie die Gremienstruktur, die im ZDF-Staatsvertrag geregelt ist, als verfassungswidrig ansahen. Die Kläger sahen das „Gebot der Staatsferne“ verletzt.

Selbst die ARD hatte sich der Argumentation angeschlossen. In dem Verfahren standen in erster Linie die beiden Aufsichtsorgane des ZDF auf dem Prüfstand: der Fernseh- sowie der Verwaltungsrat. Im 77köpfigen Fernseh-rat stellen Bund und Länder bislang 19 Mitglieder.

Die im Bundestag vertretenen Parteien durften weitere zwölf Mitglieder benennen. Damit hatten sie nach dem ZDF-Staatsvertrag, der jetzt gekippt wurde, insgesamt über 40 Prozent der Stimmen des Fernsehrates. Zusammen mit den drei Vertretern der kommunalen Spitzenverbände erreichen sie circa 44 Prozent der Stimmen.

„Der Anteil staatlicher und staatsnaher Mitglieder darf ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen“, heißt es nun in dem knapp 50seitigen Leitsatz-Konvolut zum Urteil. Und weiter: „Hinreichend ausgeschlossen ist ein bestimmter Einfluß nur dann, wenn jedem staatlichen und staatsnahen Mitglied mindestens zwei staatsferne Mitglieder gegenüberstehen.“

Mit der Formulierung „bestimmter Einfluß“ ging das Gericht auf die Rolle der sogenannten Freundeskreise ein, die in der mündlichen Verhandlung im November des vergangenen Jahres für reichlich Gesprächsstoff gesorgt hatten. ZDF-Intendant Thomas Bellut selbst war es gewesen, der die Freundeskreise thematisiert hatte. Dort werde keinesfalls etwas beschlossen, sondern Dinge nur besprochen, hatten er und weitere Prozeßbeteiligte beschwichtigt.

Wie wichtig sind die Freundeskreise?

Eine längere Passage des Buchs „Mein Leben mit dem ZDF“ des früheren Intendanten Dieter Stolte wurde damals daraufhin im Gerichtssaal erörtert. Stolte spricht in dem Buch über das Thema „Freundeskreis“ von einem „harmlos klingenden Namen“ und beschreibt, wie wichtig sie sind. Er nennt sie „politische Strukturen mit starkem Einfluß“. Ferner berichtet er von Sitzungen – er schreibt von CDU- und SPD-Freundeskreisen –, die an Vorabenden von Fernsehratssitzungen im selben Hotel abgehalten würden. Heimliche Kungelrunden also, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt.

Gesine Lötzsch, die für die Bundestagsfraktion der Linkspartei in Karlsruhe war und selbst Mitglied im Fernsehrat ist, bestätigte diese Praxis in der Verhandlung. Sie habe sich entschieden, in keinem der Freundeskreise zu sitzen. Oft seien im Fernsehrat Bemerkungen wie „Das haben wir doch schon vordiskutiert“ gefallen.

Die Freundeskreise erwähnt das Gericht im Urteil lediglich in einem Nebensatz und stellt fest, daß die Arbeit in „derartig informellen Gremien kaum geregelt werden kann“. Deshalb die neue Aufteilung zwei Drittel zu ein Drittel. Diese Eingrenzung klingt gut und wurde kurz nach dem Urteil positiv kommentiert.

Der Teufel liegt jedoch bekanntlich im Detail. Die Frage ist nämlich, wer als staatlich oder staatsnah gilt. Maßgeblich hiefür sei, daß es sich um eine Person handele, „die staatlich-politische Entscheidungsmacht innehat oder im Wettbewerb um ein hierauf gerichtetes öffentliches Amt oder Mandat steht und insoweit in besonderer Weise auf die Zustimmung einer breiteren Öffentlichkeit verwiesen ist“, heißt es im Urteil. Dazu zählten beispielsweise auch Regierungsmitglieder, Abgeordnete, politische Beamte oder „Mitglieder politischer Parteien mit herausgehobener Verantwortung“. Mit anderen Worten: Ein entlassener Minister oder abgewählter Abgeordneter gilt nach dieser Lesart nicht als staatsnah. Zu den nicht Staatsnahen zählt das Gericht übrigens auch Vertreter von Hochschulen, aus der Richterschaft oder aus der funktionalen Selbstverwaltung, wie etwa der Industrie- und Handelskammer.

Unter welchem Druck selbst namhafte ZDF-Journalisten stehen müssen, wird aus einer kleinen Anekdote deutlich, die ein Buchautor der JUNGEN FREIHEIT nach einem ZDF-Interview berichtete. Vor dem Interview hatte es freundliche Gespräche und sogar inhaltliche Übereinstimmung gegeben. In der Sendung wurde der Autor mehr als hart angegangen. Entschuldigung des ZDF-Manns nach der Sendung: „Sie müssen verstehen, wir machen hier Regierungspropaganda.“

Kommentar Seite 2

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