© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Hast du denn nie unter einer Gaslaterne geküßt? Das ist sooo romantisch“, schwärmt mir eine liebe Freundin vor. Der verklärte Blick, den sie dabei bekommt, verrät mir, daß sie tief in eigenen Erinnerungen schwelgt. Das Erlebnis dürfte bei ihr zwar auch schon einige Zeit her sein, aber immerhin. Ich kann diese Erfahrung überhaupt nicht teilen. Nie habe ich unter einer von Berlins berühmten historischen Gaslaternen gebusselt, jedenfalls soweit ich das erinnere. Und wenn, dann war mir die Laterne herzlich egal.

Nach Angaben des gemeinnützigen Fördervereins Gaslicht-Kultur e.V. stehen mehr als die Hälfte aller weltweit existierenden Gaslaternen auf Berlins Straßen. Viele Bereiche des Stadtgebietes seien „vollständig mit dem gold-gelben Licht der Gaslaternen durchflutet“. Die historischen Gaslaternen seien ein „fester Bestandteil der Berliner Identität“ ( www.gaslicht-kultur.de ). Doch damit soll demnächst Schluß sein. Das Land Berlin stellt weiträumig von Gaslaternen auf energiesparende LED-Leuchten um. Nach Senatsangaben gibt es rund 44.000 Gaslaternen, 3.000 wurden bereits umgerüstet.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat in der vorigen Woche den Antrag eines Anwohners in Berlin-Dahlem abgewiesen, mit dem der weitere Abbau der Gaslaternen gestoppt werden sollte. Der Mieter in einem denkmalgeschützten Haus berief sich auf das Denkmalrecht; außerdem machte er geltend, daß die neuen Leuchtkörper gesundheitsschädigendes Quecksilber enthielten. Ob er je unter einer historischen Gaslaterne geküßt hat, ist nicht bekannt. Das Gericht jedenfalls mochte dem Antrag nicht folgen. Es gebe keinen Anspruch auf eine bestimmte Beleuchtung, weder im Denkmalschutz noch im Straßenrecht. „Bei dem Austausch der Gaslaternen handele es sich um eine im Kern politische Ermessensentscheidung“, heißt es in dem Beschluß des Verwaltungsgerichts (VG 13 L 116.14).

Auf Betreiben von Gaslicht-Kultur e.V. steht die Berliner Gas-Straßenbeleuchtung seit 2014 auf der „Roten Liste“ des World Monuments Fund. Der WMF mit Sitz in New York setzt sich für die Erhaltung und Restaurierung von Denkmälern und historischen Stätten ein und gibt alle zwei Jahre die Liste der am meisten gefährdeten Standorte heraus ( www.wmf.org/watch ).

Übrigens: Die liebe Freundin verweigerte sich schnöde meinem Ansinnen, mit ihr auch nur zu Testzwecken unter der Gaslaterne zu busseln.

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