© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

CD-Kritik: Gypsy-Pop
Aus Titos Reich
Sebastian Hennig

Vlax Records hat im Berliner Label Asphalt Tango eine Sammlung zigeunerischer Popsongs aus dem Jugoslawien von 1964 bis 1980 veröffentlicht. Diese Sirenengesänge tönen herüber aus einer vergleichsweise kurzen, zumindest in der Rückschau für die slawischen und zigeunerischen Völker des Balkans friedvollen Zeit. Die Schrecken des Bürgerkriegs waren besänftigt, bevor sie sich mit dem Tod des Marschalls Tito langsam aber stetig wieder regten.

Nun verlangen diese Schlager vor allem eines: getanzt zu werden. Wir haben hier eine bis zum Extremismus heterosexuelle Hitparade des Balkans. Nicht zuletzt sind die Platten Teil der unablässigen Versuche, die Zigeuner zu zivilisieren und zu verdienten Künstlern des sozialistischen Staates zu machen. Wenn wir unsere Hörgewohnheiten dagegen geltend machen, sollten wir überlegen, ob es wirklich die unseren sind. Vielmehr handelt es sich um eine durch andauernde Wiederholung in allen öffentlichen Räumen aufgenötigte Hegemonie der Bespaßungsindustrie über den privaten Frohsinn. Im Zweifelsfalle freue ich mich dann doch lieber meines Lebens mit Esma Redzepova oder dem Ansambl Montenegro als mit Lady Gaga oder den bornierten Beatles. Wie diese sind auch jene ein staatsmonopolistisches Industrieprodukt. Doch ihre geschmeidigen Wiederholungen haben weit mehr lässige Eleganz.

Stand Up, People, Gypsy Pop Songs from Tito’s Yugoslavia, 1964–1980 Asphalt Tango (Indigo) www.asphalt-tango.de

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