© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

Grüße aus London
Geschüttelt und gerührt
Derek Turner

Auf dem Schreibtisch ertönte ein Summer, und die gelangweilte Bürohilfe, deren Namen Bond nicht kannte, sagte: „Okay, Sie können reingehen.“ Sie zeigte wenig Interesse an ihm, als er an ihr vorbei in das ihm einst so vertraute Arbeitszimmer schlurfte, das er aber kaum wiedererkannte. Die Täfelung aus Mahagoni war zwar noch da, aber jemand hatte sie weiß gestrichen, und anstelle der Ölgemälde hingen abstrakte Malereien an der Wand.

Der Geheimdienstchef war dabei, etwas in einen Laptop einzutippen. Er schaute nicht hoch und bedeutete Bond mit einem Handzeichen, er möge sich gedulden, bis er die Nachricht an seinen Lebensabschnittsgefährten mit einem lockeren „Küßchen“ beendet hatte.

„M?“ fragte Bond. „Ach, das ist mir zu altmodisch. Wayne reicht vollkommen. Sie müssen Jimmy Bond sein? “ „Äh ... ja, der bin ich“, sagte Bond überrascht. Niemand hatte ihn je Jimmy genannt.

Also Jimmy. Die Sicherheit der ganzen Welt liegt allein in Ihren Händen!

„Also, Jimmy“, fuhr Wayne fort. „Ich nehme an, Sie haben diese Sache auf der Krim im Internet verfolgt?“ Bond hatte das Internet noch nie benutzt. „Sie meinen den Anschluß?“ riet er. „Genau! Wir haben Sie aus dem Ruhestand geholt, damit Sie einen letzten Auftrag erledigen. Wir verlassen uns auf Sie. Zwar sind Sie nicht mehr der Jüngste, aber wir dürfen sie nicht aufgrund von Alter, Geschlecht, Religion, ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung diskriminieren.“

„SMERSCH?“ Diesmal war es Wayne, der überrascht dreinblickte. Er lachte. „SMERSCH war gestern, Mensch Jimmy! Unser Problem ist LGBT – , Rußlands Gesetze gegen Schwule, Lesben, Geschlechtsumgewandelte und Bi-Interessierte. Jetzt überziehen sie auch noch die Krim mit ihrem Haß. Dies müssen wir verhindern! Die Sicherheit der Welt liegt allein in Ihren Händen!“

Bond grinste. „Ich soll dort ein feindliches Objekt neutralisieren?“ „Mensch, – echt kraß, was Sie für ein Dinosaurier sind! Was wir brauchen, sind Staatsbürger, die Menschenrechtsverletzungen dokumentieren und an uns tweeten. Das einzige, was Sie mitnehmen, ist Ihr Handy. Auf Basis Ihrer Berichte werden wir dann eine Uno-Resolution verabschieden, die alle Arten von Phobie auf der Welt verurteilt. Das wird den roten Wladimir das Fürchten lehren!“

„Ich hab kein Handy“, gestand Bond. „Und tweeten?“ Wayne brach in Gelächter aus. Bond stand in dem Raum voller Erinnerungen und fühlte sich zugleich geschüttelt und gerührt.

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