© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Leserbriefe

Zu: „Die Reform frißt ihre Kinder“ von Konrad Adam, JF 12/14

Es widerspricht aller Erfahrung

Die Inklusion kann schon deshalb nicht funktionieren, da es nicht möglich ist, für jede spezielle Behinderung und kontinuierliche Förderung Lehrpersonal an alle Schulen zu schicken, abgesehen davon, daß die meisten Schulgebäude nicht behindertengerecht ausgestattet sind. Daß sich Behinderte in den Regelschulen besonders wohlfühlen, erscheint auch höchst zweifelhaft, da sie hier ihr Anderssein und ihre Sonderrolle besonders erleben müssen. Es widerspricht auch allen schulpraktischen Erfahrungen, daß in extrem heterogenen Gruppen erfolgreicher gelernt würde. Dies führt zu einer permanenten Überforderung der einen und Unterforderung der anderen und im Endergebnis zu einer Absenkung des Leistungsniveaus.

Ernst Hildebert Kratzsch, Rosengarten

 

Aus Sicht eines Betroffenen

Durch eine Krankheit im Alter von 13 Jahren wurde ich auf dem einen Ohr taub und auf dem anderen schwerhörig. Mitschüler und Lehrer der Klasse standen plötzlich hilflos und überfordert einem Individuum gegenüber, das weder dem Unterricht noch den üblichen Unterhaltungen angemessen folgen konnte; so sehr es sich auch bemühte.

Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten und waren verheerend. Kinder können ja so grausam sein. Ich war jetzt die taube Nuß, die zu nichts mehr zu gebrauchen war. Mein einstmals recht starkes Selbstbewußtsein verringerte sich auf einen kaum mehr meßbaren Faktor. Ich verkroch mich in mein Schneckenhäuschen und haderte mit dem Schicksal. Der Schulbesuch entwickelte sich zu einem Überlebenskampf, den ich auf Dauer nicht gewinnen konnte.

Aufgeschreckt durch die daraus resultierenden katastrophalen Schulnoten legte die Schulleitung meinen Eltern einen Schulwechsel nahe. Der Wechsel auf eine speziell für Hörgeschädigte ausgerichtete Sonderschule entpuppte sich als wahres Paradies. Ich war nun unter meinesgleichen, die ein für Außenstehende schwer nachvollziehbares Schicksal verbannt. Die Schülerzahlen in den Klassenräumen wurden bewußt niedrig gehalten. Im Schnitt waren wir zu acht. Wir saßen im Halbkreis vor dem Pult. Jeder konnte jedem ins Gesicht schauen. Auch wer nicht des Lippenlesens mächtig ist, weiß, um wieviel einfacher es sich durch diese Sitzanordnung verstehen und besonders diskutieren läßt. Dies ist dabei nur ein Aspekt des anderen Lernens.

Auf dem Areal waren weitere Sonderschulen für Seh-, Sprach- und Körperbehinderte angesiedelt. Angenommen, dies alles sei in einer „normalen“ Schule realisierbar, was ist am Ende mit den Hauptakteuren? Wie werden sie sich fühlen, wenn die Meute der Nichtbehinderten diese unbekannte Welt, in der es mitunter viel Geduld braucht, kennenlernt? Anfängliches Mitleid kann in Gleichgültigkeit, Haßtiraden oder Schlimmeres umschlagen.

Inklusion mag in dem einen oder anderen Fall machbar, vielleicht auch erfolgreich sein. Der Großteil der Betroffenen jedoch wird unter doppeltem Leistungsdruck stehen. Befürworter der Inklusion, aber auch Eltern, die ihre behinderten Kinder in Sonderschulen diskriminiert sehen, sollten sich ernsthaft fragen, was allen – Schülern wie Lehrkräften – auf Dauer angetan wird.

Jörg Rüter, Bennstedt

 

 

Zum Schwerpunktthema: „Nervenkrieg auf der Krim“, JF 11/14

Ich gestehe: Ich habe Angst!

Vor exakt einhundert Jahren mutierte der zwischen Österreich-Ungarn und Serbien schwelende langjährige Konflikt durch ein Attentat zum Weltkrieg. Und heute? Spielen sich die USA einmal mehr als die Hüterin des Völkerrechts auf, das sie in ihrer eigenen Geschichte selbst oft genug gebrochen haben, zum Beispiel in ihrem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak, von dem sie weder angegriffen noch bedroht waren? Suchen die USA nicht vielmehr einen Vorwand, um die Grenze ihres eigenen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einflußbereiches durch Einbeziehung der Ukraine wieder ein Stück weiter nach Osten vorzuschieben?

Stoßen die Staaten Europas in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Führungsmacht USA nicht in dasselbe Horn, statt als neutrale Vermittler aufzutreten? Ich gestehe offen: Ich habe Angst, daß den Politikern – wie 1914 – ein lokaler Konflikt aus den Händen gleitet.

Rolf Bürgel, Darmstadt

 

Westliche Machtinteressen

Mit dreister Selbstgerechtigkeit wirft die „Westliche Wertegemeinschaft“, voran die USA, Putin völkerrechtswidriges Handeln vor. Sie selbst aber überfiel in Angriffskriegen Serbien, den Irak oder Libyen, und sie war maßgeblich beteiligt an Kriegen, Aufständen und Revolutionen, so auch 2004 bei der Orangenen Revolution in Kiew. Für eine Propaganda im Namen von „Freiheit“ und „Demokratie“ werden eigene Machtinteressen und „Eine-Welt-Ziele“ vorangetrieben.

Wie wenig sich auch die EU um Demokratie schert, demonstrierte sie dieser Tage mit dem Aufschrei über das Votum der Schweizer. Daher hält sie, soweit ihr dienlich, auch willkürliche Grenzziehungen wie im Falle der Krim (1954 ein selbstherrliches „Geschenk“ Chruschtschows an die Ukraine) für sakrosankt. Diese Mißachtung des Menschenrechts auf Selbstbestimmung der Völker führte aber, wie schon nach dem Versailler Diktat, zu immer neuen Unruheherden und Krisen, wie etwa Nigeria-Biafra, Mali, Kurdistan, Tibet, Südtirol oder das Baskenland beweisen. Es ist daher höchste Zeit, daß die Völker selbst über ihre Grenzen und Staatsangehörigkeit in Freiheit entscheiden können.

Dr. med. Bonifaz Ullrich, Blieskastel

 

 

Zur Meldung: „Sarrazin-Lesung: Peymann kritisiert Störer“, JF 11/14

Deutsche Wirklichkeit

Herrn Peymann würde ich gern eine Fragen stellen. Warum forderte er für die Lesung keinen Polizeischutz an? Er mußte doch wissen, daß der linke Mob stören würde.

Nach der Lektüre des Buches stelle ich fest, daß der Autor weder „spinnt“ noch „unappetitliche“ Dinge schreibt. Er schildert nur die deutsche Wirklichkeit, und das begrüße ich sehr!

Erika Fech, Lübeck

 

 

Zu: „Britannia über allen Wellen“ von Jan von Flocken, JF 11/14

Feind war bereits der Fischtrawler

Die eingebildete Angst der egozentrischen britischen Seebeherrschung in der Nordsee vor der deutschen Flotte ist schon um 1900 in Karikaturen des Kladderadatsch spürbar (http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kla). Selbst deutsche Fischtrawler konnten erleben, daß britische Schnellboote ihnen über die Fangleinen fuhren und die Schleppnetze abschnitten.

Georg K. Schmelzle, Norden/Ostfriesland

 

 

Zu: „Auswuchs eines Kulturkampfes“ von Thorsten Hinz, JF 10/14

Diachronisch: Hitler und Fischer

In der Tat ist der verkrachte Kunstmaler und letzte Kanzler des Deutschen Reiches aus Braunau mit dem Taxifahrer, der es zum Minister und Vizekanzler schaffte, nicht nur demselben sozialen Typus zuzuordnen, auch beider Lebensdaten weisen verblüffende Ähnlichkeiten auf. Wie jener, hat auch J. Fischer weder Schul- noch Berufsabschluß vorzuweisen. Schauplatz für Aggressionen im jungen Erwachsenenalter Anfang/Mitte Zwanzig war für jenen der Erste Weltkrieg. Als Kriegsersatz blieb für Fischers Aggressionen im gleichen Alter (nur) der Straßenkampf, als Feind die eigene Staatsautorität. Beide werdenden Politiker verachteten anfangs das herrschende Establishment.

Wie Fischer gelang auch Hitler der Start ins Erwerbsleben erst mit Anfang Dreißig. Rhetorisch begabt, traten beide in diesem Alter in eine jeweils kurz zuvor gegründete Partei ein, schwangen sich dort sehr bald zur führenden Persönlichkeit auf und formten die jeweilige Partei nach ihren Vorstellungen um. Im fünften Lebensjahrzehnt erreichten beide den Zenit ihrer politischen Laufbahn.

Die Koinzidenz der Lebensdaten beider Politiker mag zufällig sein (ebenso wie der Geburtsmonat April). Nachdenklich stimmt aber, daß in der gegenwärtigen Demokratie immer noch (oder schon wieder?) ein Politiker ohne jeden beruflichen Hintergrund beziehungsweise Lebensperspektive und lediglich auf „Krawall gebürstet“ zu Spitzenpositionen aufsteigen kann. In anderen westlichen Demokratien wäre dies kaum denkbar.

Prof. Dr. Roland Bitsch, Gießen

 

 

Zu: „Eine Stadt, die es nicht mehr gibt“ von Ludwig Witzani, JF 10/14

Mehr Königsberg vorhanden

Einige Angaben dieser Reportage aus Königsberg sind unbefriedigend. So wurden die verschiedenen Tore Königsbergs, etwa das Königstor, anläßlich der 750-Jahr-Feier der Stadt im Jahr 2005 saniert. Auch sind die Überreste aus der deutschen Zeit zahlreicher, als der Beitrag glauben macht. Beispielhaft hierfür steht der am Schluß erwähnte Ploschtschad Pobedy (Platz des Sieges), den der Autor aber als Ort beschreibt, der nichts mit dem alten Königsberg zu tun habe. Dabei ist dies ja der frühere Hansaplatz, an dessen Seiten immer noch einige Verwaltungsgebäude aus der deutschen Zeit stehen. Dies gilt auch für den Nordbahnhof an der Nordseite. Westlich davon beginnt direkt das Hufenviertel, wo viele schöne Gebäude und Überreste aus der alten Zeit (besonders zwischen 1900 und 1914) zu bewundern sind.

Der Autor erwähnt auch das Universitätsgebäude unweit vom Schloßteich, dessen Aussehen heute tatsächlich das einer Lagerhalle hat. Schwer beschädigt im Krieg wurde es – wie so oft in Westdeutschland auch – vereinfacht unter Einbeziehung der alten Gemäuer wiedererrichtet und instandgesetzt. Der Autor fragt: „War das wirklich der Ort, an dem Kant zum ersten Mal seine philosophischen Werke vorgetragen hat“? Natürlich nicht. Diese Stätte wurde erst im Sommersemester 1862 bezogen, bis dahin war die Universität an einem ganz anderen Ort hinter dem Dom auf der gleichnamigen Insel zu finden, ungefähr gegenüber dem im 20. Jahrhundert errichteten Kantdenkmal. Davon ist nichts mehr zu sehen.

Es dürfte auch schwierig sein, weit mit der Straßenbahn zu fahren, da in den letzten Jahren viele der Trassen stillgelegt und herausgerissen wurden! Mangels Geld, Fahrgästen und Fachpersonal werden wahrscheinlich die wenigen übriggeblieben Tramlinien auch bald stillgelegt.

David Moore, Freiburg / Schweiz

 

 

Zu: „Eisiges Abenteuer“ von Wolf-Ulrich Cropp, JF 10/14

Alaska hinterläßt Begeisterung

Das muß ich doch sagen: Diese Reportage ist ein toller Bericht! Alaska habe ich zweimal bereist, und ich bin immer wieder begeistert.

Hans-Günther Friese, Potsdam

 

 

Zu: „‘Bombengate’ löst Richtungsstreit aus“ von Henning Hoffgaard, JF 10/14

Gelungene Umerziehung

Wäre es denkbar, daß neben der Kathedrale von Coventry eine junge Engländerin ihren Busen entblößte und darauf schriebe: „Danke Göring“ (o.ä.)? Nein.Damit stellt sich die Frage, wie hierzulande solch hündisches Verhalten zu erklären ist. Liegt es am Nationalcharakter (wie einst Churchill meinte: „Man hat sie am Hals oder zu den Füßen“)? Oder war es das gelungene Ziel der Umerziehung? Oder ist es einfach so, daß kein Volk dieser Erde zwei Tyranneien, eine braune und eine rote, zwei katastrophale Niederlagen und ein einseitiges Schulddiktat ohne charakterlichen Schaden überstehen kann? Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Krankheit heilbar ist.

Dr. Wolfgang Henninger, Freiburg im Breisgau

 

 

Zu: „Von Heuchlern regiert“ von Michael Paulwitz, JF 9/14

Überschrift unzutreffend

Die Überschrift dieses Leitartikels trifft nicht zu. Es muß heißen: „Von Heuchlern beherrscht“.

Siegfried Kieselbach, Düsseldorf

 

 

Zu: „Gedenken als Farce / Die schrille Hilflosigkeit“ von Dieter Stein, JF 9/14

Ein Wink für die Tiefflieger

Was jüngst in Dresden geschah, hat mich zutiefst empört. Ich lebte als Kind (Jahrgang 1935) in Dresden während des Bombardements, der Tieffliegerangriffe und des Einmarschs der Russen. Hier wurde ich verstörend Zeugin von Vergewaltigungen der weiblichen Verwandtschaft (auch im neunten Schwangerschaftsmonat!).

Als Schukinder wurden wir zweimal von Tieffliegern beschossen. Natürlich lag die Schuld hierfür bei mir: Ich habe gewinkt. Wem ist es geschuldet, wenn Nachkriegshistoriker behaupten, es habe damals keine Tieffliegerangriffe auf die Zivilbevölkerung gegeben? Auch die nunmehr reduzierte Zahl der in Dresden umgekommenen Menschen ist unkorrekt. Soll das jetzt als Fakt in die Geschichtsbücher eingehen? Es heißt, der Sieger schreibt die Geschichte; hier aber handelt es sich – soweit ich informiert bin – um Deutsche. So geht der Alptraum im Alter weiter. Geblieben ist mir von den Bombennächten übrigens eine unnatürliche Schreckhaftigkeit.

Ellen Pischtschan, Bremen

 

 

Zu: „Taktische Spielchen an der Frauenkirche“ von Paul Leonhard, JF 9/14

Öffentlich-rechtliche Vorstellung

Die diesjährigen Äußerungen der Oberbürgermeisterin von Dresden sind weder originell noch neu. Vergleichbare Formulierungen brachte Esther Shapira im Jahr 2012 in den ARD-Tagesthemen als Kommentar über die Bombardierung Dresdens. Wer dieses Glanzstück deutscher „Trauerkultur“ vor zwei Jahren verpaßt hat, kann es sich bei Youtube unter dem Titel „Esther Schapira: Der Mythos von der sinnlosen Zerstörung der Barockstadt Dresden“ anschauen.

Heinz Schiller, Ulm

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