© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Religiöse Strenge
Kino II: „Kreuzweg“ von Dietrich Brüggemann
Wolfgang Paul

Auf der Berlinale gingen die Meinungen weit auseinander. Die einen fanden den Film furchtbar, die anderen hielten ihn für den besten deutschen Wettbewerbsbeitrag. Die Berlinale-Jury belohnte die Geschwister Dietrich und Anna Brüggemann mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch.

„Kreuzweg“ besteht aus 14 festen Einstellungen. Zwei Schwenks fallen auf, eine Kamerafahrt am Ende weist in den Himmel. Der Titel ist wörtlich zu verstehen. Der Film handelt vom Kreuzweg eines 14jährigen Mädchens. Maria (Lea van Acken) will sich für den kleinen Bruder opfern, der an einer merkwürdigen, nicht diagnostizierbaren Krankheit leidet: er spricht nicht. Auf die Idee, ihr Leben für die Heilung ihres Bruders Gott zu geben, bringt sie ein Priester (Florian Stetter), der die Bedeutung des Opfers im Firmungsunterricht erläutert.

Die Mutter duldet keinen Widerspruch

Die strenge Form des Films baut eine Distanz auf und korrespondiert mit der religiösen Strenge, die in Marias Familie herrscht. Man gehört zur katholischen Paulus-Bruderschaft, die den Pius-Brüdern nachgebildet ist. Danach ist der Weg, den die offizielle Kirche genommen hat, ein Weg in die Irre.

Der Film reflektiert nun die Frage, wohin religiöser Fundamentalismus in einer religionsfernen Welt führen kann. Treibende Kraft (und ein wenig überzeichnet) ist Marias Mutter (Franziska Weisz), die befürchtet, die Tochter könne ihr entgleiten. Getreu dem vierten Gebot duldet sie keinen Widerspruch. Der Vater (Klaus Michael Kamp) sieht bis auf ein einziges Mal dem Geschehen schweigend zu. Das französische Au-pair-Mädchen (Lucie Aron) versucht, zwischen Maria und der Mutter zu vermitteln, wird aber sofort in die Schranken verwiesen. Die Mutter beschleunigt mit ihren ständigen Maßregelungen Marias fortschreitende Weltabwendung.

Christian (Moritz Knapp) aus der Nachbarklasse, der sich zu Maria hingezogen fühlt, scheint durchaus ein passender Freund zu sein. Wenn er sich mit ihr unterhält, scheint die Welt in Ordnung (auch weil die Brüggemanns glänzende Dialoge geschrieben haben). Aber Maria lehnt dieses Geschenk des Himmels ab und hofft, daß ihr Opfer von Gott angenommen wird.

Mit ihrem Film irritieren die Brüggemann-Geschwister das heutige Publikum, weil sie eine abgeschlossene, religiöse Welt darstellen.

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