© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

„Die Großen halten den Preis niedrig“
Interview: Der Görlitzer Brauereibesitzer Rolf Lohbeck über Gewinnmargen, Kartellverfahren und seine Zweitkarriere als Buchautor
Wolfhard H. A. Schmid

Unter Deutschlands Bierbrauern grassiert die Angst. Im Januar hatte das Kartellamt zum Schlag gegen mehrere Großbrauereien, ausgeholt darunter Bitburger, Krombacher, Veltins und Warsteiner, und wegen gesetzeswidriger Preisabsprachen eine Gesamtstrafe von 100 Millionen Euro verhängt. Es gibt ein zweites Verfahren, das nach Aussage eines Kartellamtssprechers noch im ersten Quartal zum Abschluß gebracht werden soll und möglicherweise noch teurer wird für die Anbieter. Über diese und andere Dinge aus der Bierbranche spricht der Brauereiinhaber Rolf Lohbeck im JF-Interview.

Herr Lohbeck, Sie haben schon einmal eine Brauerei in Schwelm (NRW) geführt. Was geschah mit dem Unternehmen?

Lohbeck: Ich hatte sie 2001 voller Begeisterung an einem Freitag gekauft, flog einen Tag später, am Samstag, mit meiner Frau in die USA, schloß mit einem Bierimporteur in Florida einen Bierliefervertrag ab, mußte lernen, daß der Vertragspartner kein Interesse an Importen hatte, sondern Verträge mit Gewinn weiterverkaufte. Ein weiterer Vertrag mit einem New Yorker Importeur wurde groß in den dortigen Medien gefeiert. Kurz darauf mußte er Insolvenz anmelden. Trotzdem habe ich in neun Jahren 14,4 Millionen Euro in den Betrieb investiert, unter anderem hatte ich die frühere Bügelflasche wieder eingeführt.

Aber dann gab es Ärger mit Gewerkschaften, und das Unternehmen geriet in Schwierigkeiten.

Lohbeck: Mitarbeitervertretungen sind für mich selbstverständlich. Allerdings bin ich skeptisch, wenn betriebsfremde Gewerkschaftsfunktionäre mit eigenen Interessen in meinen Betrieben mitbestimmen sollen. Da sind mir schon aufgrund meines Lebensalters die Betrügereien der Neue-Heimat-Funktionäre Albert Vietor und Heinz Oskar Vetter noch in zu guter Erinnerung. Ähnliches gilt für Gewerkschaftsfunktionäre wie Klaus Zwickel, die über kurz oder lang ihre Gewerkschaftsmacht zur Steigerung der eigenen Einkommen mißbrauchten. Äußerst unappetitliche Vorgänge! Die Schwelmer Brauerei scheiterte schließlich wegen vermuteter Sabotage und der Haltung des Betriebsrates. Da meine Frau und ich unter diesen Verhältnissen unser Dauerphilanthropentum beendeten, mußte die Insolvenz angemeldet werden. Eine teure Erfahrung, die uns über 14 Millionen Euro gekostet hatte. Wir haben es letztendlich als unseren Sozialbeitrag abgehakt. 2006 hatten wir in Görlitz die östlichste Brauerei Deutschlands, die Landskron Brau-Manufaktur erworben.

Trotz der schlechten Erfahrungen mit der Schwelmer Brauerei?

Lohbeck: Zum ersten hatten wir 2006 noch keine schlechten Erfahrungen mit der Schwelmer Brauerei gemacht und waren noch voller Hoffnung. Zum anderen stand die Landskron Brau-Manufaktur mit 165.000 Hektoliter Absatz auf sehr gesunden Füßen. Auch stießen wir hier auf einen Betriebsrat, der absolut die Interessen des eigenen Betriebes und seiner Mitarbeiter im Auge hatte. Da trafen sich Unternehmer und Arbeitnehmervertreter auf der gleichen Wellenlänge, und das ist bis heute so geblieben. Es geht also doch, wenn man auf die richtigen Menschen trifft.

Wie groß ist die Produktionskapazität Ihrer Görlitzer Brauerei? Welche Sortenvielfalt produzieren Sie? Haben Sie beim Erwerb die dort üblichen Fördergelder beantragt?

Lohbeck: Wir stellen dort insgesamt zwölf Biersorten mit 85 Mitarbeitern bei einer Jahresleistung von 165.000 Hektolitern her. Die Brauerei läuft wirtschaftlich gut. Wegen eventueller Fördergelder habe ich mir dort keine Gedanken gemacht.

Ein bayrischer Brauereiunternehmer verriet, daß für ihn eine geringe Sortenvielfalt entscheidend sei. Er produziert an jedem seiner Standorte nur eine Biersorte. Was halten Sie von diesem Erfolgsrezept?

Lohbeck: Für den Erfolg ist heutzutage eine Produktvielfalt erforderlich. Bei unseren zwölf Sorten sind auch Editionsbiere ein besonderer Erfolg. So kommen Biere mit Whisky- oder Portweingeschmack besonders bei der jüngeren Generation an. Letztes Jahr haben wir mit unseren Editionssorten 60.000 Flaschen verkauft.

Mittelständische Brauereien haben es heutzutage besonders schwer, sich in diesem Verdrängungswettbewerb gegenüber den globalen Großen zu behaupten. Die meisten Verbrauer wissen nicht, welcher globale Konzern hinter den Namen traditioneller Biermarken steckt. Welche Strategie verfolgen Sie, um die Zukunft Ihrer Brauerei sicherzustellen?

Lohbeck: Die Antwort hierauf ist: Handwerklich traditionell produzieren und dies dem Käufer deutlich machen.

Der Verdrängerwettbewerb führte zu illegalen Preisabsprachen, die von den Kartellbehörden aufgedeckt wurden. Sind Sie auch betroffen?

Lohbeck: Nein! Man muß sich verdeutlichen, in den letzten zwanzig Jahren ist der allgemeine Bierpreis lediglich um zwanzig Cent gestiegen. Die Großen haben den Preis bewußt niedrig gehalten, um die mittelständischen Brauereien zu verdrängen.

Anheuser-Busch, die Muttergesellschaft der Brauerei Beck’s, ist in dem Verfahren als Kronzeuge aufgetreten. Plagt da jemanden das schlechte Gewissen, oder ist dies ein weiteres Mittel der Marktverdrängung?

Lohbeck: Mein Kommentar dazu: Der Zweck heiligt die Mittel.

Grund für illegale Preisabsprachen ist meistens die geringe Gewinnmarge wegen des Investitionsbedarfs für die Qualitätssicherung und die hohen Betriebskosten. Können Sie dazu Angaben machen, welche Gewinnmarge erforderlich ist, um den Fortbestand eines Brauereibetriebes zu sichern?

Lohbeck: Die Gewinnmarge vor Steuern muß mindestens bei fünf Prozent liegen.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz unterstützt bisher energieintensive Unternehmen wie die Stahl-, Chemie- oder Papierindustrie mit Rabatten, um sie bei den hohen Energiekosten in Deutschland gegenüber den ausländischen Wettbewerbern konkurrenzfähig zu halten. Auch Brauereien sind energieintensiv. Partizipieren Sie auch an dieser Förderung?

Lohbeck: Leider nein! Habe dazu noch nicht einmal den Versuch gemacht. Bei uns beträgt der Energieanteil an den Betriebskosten rund sechs Prozent. Das Problem ist der mit dem Strom gekoppelte Gaspreis.

Anderes Thema: Welche Auswirkungen hat die Euro-Krise auf Ihre unternehmerischen Pläne?

Lohbeck: Ich glaube, daß nicht der Verfall des Euro entscheidend ist. Wir in Europa, einschließlich der USA, verteilen mit unserer Gelddruckerei Klopapier. Ich bin sicher, daß daher der Crash irgendwann kommen muß. Entscheidend ist dabei, wieweit der Unternehmer unabhängig von den Banken ist. Wir haben 2007 unsere damaligen Seniorenresidenzen für 124 Millionen Euro verkauft und dadurch schuldenfreie neue Unternehmen schaffen können, wie beispielsweise unsere Hotelgruppe. Abhängigkeit von Banken ist heutzutage tödlich, weil gerade die Bankenpleiten alles in den Abgrund reißen.

Die in der Finanzkrise durch riskante Geschäfte in die Pleite gerutschten Banken hatten in der Regel eine Gemeinsamkeit: Sie waren von Managern geführt, die nicht persönlich haften mußten – entweder war der Aktionär oder häufig zusätzlich auch der Staat (Steuerzahler) der Geschädigte. Trotz wiederholter Ankündigungen ist es der Politik nach wie vor nicht gelungen, den Kurs der Großbanken entscheidend zu ändern. Ist es angesichts dessen nicht notwendig, daß das „Prinzip persönliche Haftung“ ins Wirtschaftsleben zurückkehrt, wie das ja bei einem Eigentümer-Unternehmer der Fall ist?

Lohbeck: Absolut erforderlich! Das gilt auch für die in den Aufsichtsräten sitzenden Politiker.

Die meisten Regierungen in Europa denken nur von Legislatur- zu Legislaturperiode. Eine Zukunftsperspektive wird vermißt. Wenn Sie Ihr Lebenswerk betrachten, haben Sie da Sorgen für die Zukunft Ihrer Unternehmen?

Lohbeck: Zur Zeit nicht. Die üblichen Sorgen als Unternehmer schon. Im Moment ist die Konjunktur gut, besonders was das Hotelgeschäft betrifft. Dies besteht aus zwei Säulen: Die Hardware ist die erstklassige Lage mit einem besonderen Ambiente, die Software ist eine gute, zielorientierte Hotelführung. Dies sind die Grundlagen für eine außerordentliche Gästezufriedenheit.

Viele Unternehmer klagen, wegen mangelhafter Schulbildung von Bewerbern große Nachwuchsprobleme zu haben. Dazu wird auch mangelndes Pflichtbewußtsein der Auszubildenden beanstandet. Wie sieht es bei Ihnen mit dem Nachwuchs aus?

Lohbeck: Ja, das kann ich bestätigen. Bei den Bewerbern lasse ich immer eine kleine Rechtschreibübung durchführen, die ist zwar nicht alles, aber doch ein Hinweis. Ich bin wertekonservativ. Bei mir wird beispielsweise kein Gast mit „Hallo“ begrüßt, sondern mit „Guten Tag“. Schon da beginnt die Gästezufriedenheit. Die Brauereilehrlinge in Görlitz sind sehr gut. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß in Mitteldeutschland das Verantwortungsbewußtsein teilweise ausgeprägter als beim Nachwuchs in der alten Bundesrepublik ist.

Bereits heute leben in Deutschland Hunderttausende von schlecht ausgebildeten oder arbeitslosen Einwanderern, die für die immer anspruchsvolleren Tätigkeiten nicht zu gebrauchen sind. Zukünftige Sozialeinwanderer aus Bulgarien und Rumänien belasten die Sozialsysteme zusätzlich. Darüber ist ein großer Streit in der Regierung ausgebrochen. Ist damit die Forderung großer Teile der deutschen Wirtschaft nicht kontraproduktiv, die Zuwanderungsbestimmungen zu lockern, um den Mangel an Fachkräften durch Arbeitskräfte aus dem Ausland abzudecken?

Lohbeck: Meines Erachtens muß man da zwischen werteschaffendem Gewerbe und der Mitleids- oder der Sozialindustrie, so wie ich es nenne, differenzieren. Letztere ist teilweise völlig losgelöst von der Verantwortung für das Ganze. Sie schafft sich ihre eigene Klientel zu Lasten der arbeitenden Menschen, indem sie die Kosten sozialisiert.

Wie sehen Ihre Kinder Ihren Besitz? Als lästige Verpflichtung? Ist bei Ihnen die Nachfolge aus dem Familienkreis geregelt?

Lohbeck: Ja, durch drei Familienstiftungen. Je eine für unsere zehn Hotels, für die Brauerei und für private Immobilien.

Nun zu Ihnen als Buchautor: In ihrem Politthriller „Der vergessene Mord“ schildern Sie die Verbrechen des Stasi-Chefs Erich Mielke von den 1930er Jahren bis in die Zeit nach der Wiedervereinigung. Ihre Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten. Was war das Motiv zu diesem Buch? Eigene Erfahrungen aus dem Familien- und Freundeskreis? Haben Sie die Romanform gewählt, um Familie und Freunde nicht in Gefahr zu bringen?

Lohbeck: Ehrlich gesagt, an Gefahr habe ich dabei überhaupt nicht gedacht, obwohl ich dies des öfteren schon gefragt wurde. Das Motiv für das Buch war ein Fernsehbericht von fünf Minuten, der die Machenschaften der Stasi aufgezeigt hat. Dabei hat mich der Stasi-Mord aus dem Jahr 1961 an dem Journalisten Kurt Lichtenstein stark berührt. Unrecht macht mich krank, macht mich wütend, deshalb gehe ich an solche Probleme heran.Wolfhard H. A. Schmid

 

Rolf Lohbeck, Unternehmer, die Liste von Rolf Lohbecks Berufen ist lang: Masseur, dann Lehrer, schließlich ein Philosophiestudium mit Promotion, dazu mehrfacher Buchautor. Die Tantieme seines ersten Buches „Selbstvernichtung durch Zivilisation“ nutzte der1940 geborene Firmengründer aus Essen zum Aufbau seines Unternehmens, aus dem ein Firmenkonglomerat wurde. Sein Vermögen hat der Inhaber von Hotels und Immobilien in drei Familienstiftungen aufgeteilt und damit für die nächste Generation abgesichert, wie er sagt. Eine Rezension seiner Autobiographie „Sterne fliegen höher“ erschien in JF 18/12.

www.lohbeck-privathotels.de

Foto: Kellnerin reicht zwei Bier über den Tresen: Bier ist und bleibt eines der wichtigsten Getränke der Deutschen

 

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