© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Grüße aus Santiago de Cuba
Castros drei Streifen
Alessandra Garcia

Mein zehnjähriger Sohn hat ein Paar Sportschuhe, die er wie seinen Augapfel hütet. Es sind Markenschuhe von Adidas. Ein sündhaft teures Geschenk von in Spanien lebenden Verwandten. Alle Schulkinder träumen von solchen Schuhen, und irgendwie schaffen es viele auch, welche zu bekommen. Bei der Freizeitkleidung ist das anders. Da steht Adidas überhaupt nicht hoch im Kurs.

Lange kannte ich den Grund dafür nicht. Schließlich stattet das deutsche Unternehmen auch die kubanische Olympiamannschaft aus, und siegreiche Sportler sind bei uns Volkshelden. Aber angesichts neuer Fernsehbilder ist er mir klar geworden: Es hängt mit dem Vorliebe eines alten Mannes für Adidas zusammen.

Der Kommunist Fidel Castro liebt die Produkte des Kapitalisten aus Herzogenaurach. Schon 2006, als er nach langer Krankheit und anhaltenden Gerüchten über seinen Tod wieder im Staatsfernsehen erschien, trug er einen Adidas-Trainingsanzug. Damals sogar in unseren Landesfarben und mit seinem Namen darauf.

„Adidas? Mama, das ist doch eher was für Opa, ich mag lieber Schuhe von Nike oder Reebok.“

Eine Woche lang konnte ich unseren Comandante en Jefe a.D., beim Celac-Gipfeltreffen genau beobachten. Am ersten Tag traf er Argentiniens Präsidentin. Und was trug er? Eine blaue Trainingsjacke von Adidas. Einen Tag später empfing er Brasiliens Präsidentin in einer schwarzen Jacke mit weißen Streifen. Bei der Begegnung mit dem UN-Generalsekretär trug er eine weiße Jacke mit schwarzen Streifen, eine schwarze Hose mit weißen Streifen und ein kariertes Hemd. Für das Treffen mit den Präsidenten von Nicaragua, Bolivien und Ecuador zog er wieder die blaue Jacke an und dazu die schwarze Hose. Dann wiederholte sich die Kleidung.

Ein paar Tag später stand ich mit meinem Sohn vor den mit Adidas-Produkten ausgestatteten Schaufenstern eines Kaufhauses. „Wollen wir hoch in die Filiale im ersten Stock?“ fragte ich. Der Kleine stand eine Weile nachdenklich da. „Mama“, sagte er, „das ist doch eher was für Opa, ich möchte lieber Schuhe von Nike oder Reebok.“

Wahrscheinlich geht es ihm wie mir: Ich denke nun immer, wenn ich die drei Streifen sehe, an einen uralten kranken Mann, der jetzt zum Glück keine olivgrüne Uniform, sondern karierte Hemden und Trainingsanzüge trägt. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß sein Bruder, wenn er wie angekündigt 2018 in Rente geht, dann auf Nike setzen wird.

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