© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

„Das hat mich erschüttert“
Viele kennen Armin-Paul Hampel noch als ARD-Chefreporter aus dem Fernsehen. Nun kehrt er plötzlich zurück – als Kandidat der AfD.
Moritz Schwarz

Herr Hampel, werden Sie noch erkannt?

Hampel: Immer wieder mal, das hängt davon ab, ob die Leute regelmäßige Nachrichten-Zuschauer waren.

Sie waren Chefreporter des ARD-Hauptstadtstudios, berichteten für die Tagesschau über die Bundespolitik aus Berlin, später wurden Sie Studioleiter des Ersten in Südasien, machten bis 2008 zahlreiche Reportagen, etwa über Afghanistan.

Hampel: Zuletzt habe ich zehn Jahre in Indien gelebt, dann kam ich 2012 zurück nach Deutschland – und da wurde mir erst so richtig klar, was sich hier in Sachen Euro-Rettung inzwischen entwickelt hatte. Zuvor war ich als Mitgründer des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin, genau zu der Zeit als der Euro eingeführt wurde, ein unmittelbarer Zeitzeuge, da wir ja täglich hautnah darüber berichteten. Und ich konnte mich noch sehr gut an all die heiligen Eide erinnern, die damals geschworen wurden: „Maastricht ist unantastbar! Kein Bailout! Keine Schuldenübernahme!“ Daß dann nach nur wenigen Jahren im Handstreich alles weggewischt wurde, was wir uns zuvor auf die Fahnen geschrieben hatten, das hat mich erschüttert.

Viele sind erschüttert – dennoch engagieren sich die meisten Leute nicht politisch.

Hampel: Stimmt, und ich habe mir früher auch nicht vorstellen können, mal in einer Partei mitzuarbeiten. Gut, mit 16 gab es mal einen Ausflug in die Junge Union, aber da habe ich nach vier Wochen schon die Flucht ergriffen. Natürlich war ich immer ein politischer, aber nie ein Parteimensch.

Die Euro-Rettungspolitik war also sozusagen Ihr Erweckungserlebnis?

Hampel: Ja, ich glaube, das kann man sagen, für mich gilt der alte Grundsatz „Pacta sunt servanda“, Verträge müssen gehalten werden. Daß das plötzlich nicht mehr gilt, rüttelt für meine Begriffe an den Grundfesten der europäischen Konstruktion. Als Kind der deutsch-französischen Freundschaft besorgt mich das tief.

Was bedeutet?

Hampel: Ich sehe, wie durch die Euro-Rettungspolitik die europäische Einigkeit, die in meiner Generation mühsam aufgebaut wurde, im höchsten Maße gefährdet wird. Als Adenauer nach Griechenland fuhr, waren sieben Polizisten um ihn herum. Als Merkel fuhr, waren es 7.000 – so weit haben wir es schon gebracht. Helmut Kohl sagte einmal, der Euro sei eine Frage von Krieg und Frieden. Das war damals Quatsch. Inzwischen aber trifft es zu: Was sich in Griechenland und anderen Ländern an Unmut gegen die Deutschen aufstaut, ist gewaltig. Diese Euro-Rettungspolitik torpediert damit den europäischen Einigungsprozeß.

In der AfD reichen die Ansichten von Rettung des Euro durch Rückkehr zu Maastricht bis zu seiner Aufgabe und Wiedereinführung der Mark. Was wollen Sie?

Hampel: Entscheidend ist, daß wir wieder eine Währung haben, die so stabil ist, wie wir es aus D-Mark-Zeiten kennen. Wie das Kind heißt, ist nebensächlich.

Übersetzt: Sie tendieren zur Rettung des Euro durch Maastricht.

Hampel: Der Euro ist die Währung, an die sich die Deutschen inzwischen gewöhnt haben. Ich glaube, die Sehnsucht nach der Mark ist gar nicht mehr so stark. Was aber stark ist, ist das Bedürfnis nach Stabilität und Sicherheit unserer Währung – und nicht ständig diese immer neuen Krisen- und Rettungsmaßnahmen, von denen Experten sagen, daß sie früher oder später dramatische Folgen für uns alle haben werden.

Folge: Schwache Länder müssen den Euro verlassen.

Hampel: Können ihn verlassen! Ich bin sicher, daß es für sie ein Vorteil wäre, weil sie dann abwerten und sich besser der Konkurrenz stellen können. Nur, diese Austritte fürchten die Euro-Politiker.

Warum?

Hampel: Weil sie die Karre schon tief in den Dreck gefahren haben und beim Austritt der Krisen-Länder genau das offenbar werden würde. Dann kämen nämlich die Karten auf den Tisch, und die ganze Malaise der Rettungsmaßnahmen und der gigantischen Verschuldung träte offen zutage.

Die AfD wird von vielen Medien nicht im besten Licht dargestellt. Hatten Sie keine Bedenken, sich öffentlich zu engagieren?

Hampel: Nein, denn wenn man von etwas überzeugt ist, muß man auch Flagge zeigen. Einige Zeit dachte ich, ich sei der einzige, der so denkt. Dann las ich – glaube ich – in der Zeitung von der AfD und habe mich mit Bernd Lucke verabredet. Ich dachte zunächst: „Oje, sicher so ein Professor aus dem Elfenbeinturm.“ Aber nein, im Gegenteil! Danach war mir klar: Da bringe ich mich ein!

Wie empfinden Sie den Umgang der Medien mit Bernd Lucke?

Hampel: Man kann nicht sagen, daß wir in den Medien nicht vorkämen, ganz und gar nicht. Aber Lucke und die AfD werden natürlich oft als der Störenfried behandelt. Schon früher, immer wenn ich aus dem Ausland mal für ein paar Wochen zurück nach Deutschland kam, hatte ich den Eindruck, daß über dem Land etwas wie Mehltau liegt – nichts bewegt sich mehr, es geht nur noch um die Verteilung des Bestehenden. Diese Lethargie scheint mir alle gesellschaftlichen Bereiche erfaßt zu haben, Politik, Medien, Kultur, Sport, Kirchen. Eine unglaubliche Starre, die man am besten mit der Haltung eines Old-Boys-Club beschreiben kann, wo man am liebsten unter sich bleibt und allem Neuen mit Argwohn und Ablehnung begegnet. Motto: Neue Gedanken gefährden nur unser Weltbild, besser verdrängen!

Warum stört die AfD die Ruhe?

Hampel: Schauen Sie sich doch zum Beispiel mal etwa unsere Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Anstalten an. Dort sollten alle gesellschaftlich relevanten Gruppen vertreten sein. Mir fällt allerdings auf, daß ich all die Gesichter aus anderen Funktionen kenne: Das sind alles Politiker. Warum eigentlich ist etwa ein Michael Vesper Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes? Warum eigentlich ist ein Rudolf Seiters Präsident des Deutschen Roten Kreuzes? Das zeigt, daß die Politik sämtliche gesellschaftlichen Gruppen unseres Landes übernommen hat. Sogar unsere Verfassungsrichter werden nach Parteienproporz besetzt, ein Unding! All das wird durch eine neue politische Strömung – egal, wo die herkommt – natürlich gestört. Man ist es nicht gewohnt, sich ernstlich mit Kritik oder Alternativen auseinanderzusetzen. Nun kommt also diese AfD – die blöderweise auch noch von vielen Wählern unterstützt wird. Die muß man loswerden. Dazu ist jedes Mittel recht, und so probiert man es eben mit einem Vorwurf wie „Rechtspopulismus“.

Sie meinen, der ist eigentlich gar nicht ernst gemeint?

Hampel: Wenn ich mir die Wählerwanderung bei der Bundestagswahl anschaue, dann haben wir Stimmen aus allen Lagern erhalten – von den Bürgerlichen ebenso wie von den Linken. In unserem Landesverband haben wir sogar einige alte Gewerkschaftsfunktionäre dabei und Leute von den Grünen. Dann fällt es mir wahnsinnig schwer, einen „rechtspopulistischen“ Trend zu erkennen. Das sind für mich nur beliebige Argumente, um die Konkurrenz loszuwerden und verteilten Besitzstand zu wahren. Abgesichert wird das Ganze durch eine grassierende Political Correctness – eine der unangenehmsten Krankheiten, die wir in Deutschland haben.

Zum Beispiel?

Hampel: Zum Beispiel gibt es doch in großen Teilen der Politik und der Medien diese Tendenz, eine Pro-Europa-Stimmung regelrecht erzwingen zu wollen. Dabei ist das gar nicht nötig, denn die Deutschen sind überwiegend sowieso schon proeuropäisch. Ich bin selbst ein Pro-Europäer, aber es stößt mich ab, wenn ich geradezu dauernd dazu genötigt werde. Dabei ist diese proeuropäische Haltung der Deutschen nicht selbstverständlich, wie ein Blick in unsere Nachbarländer zeigt, und es verwundert mich fast, daß die Deutschen sich diese schöne Haltung weiter bewahren, obwohl sie ständig eins mit der großen Pro-Europa-Klatsche bekommen – schließlich könnten sie sich ja auch mal davon genervt zeigen. Aber nein, und das zeigt, wie tief das offenbar inzwischen verwurzelt ist und wie wenig es dieser großen Klatsche eigentlich bedarf – und dennoch werden wir weiter damit traktiert.

Political Correctness hat es zu Ihrer aktiven Zeit auch gegeben. Wie sind Sie damit umgegangen?

Hampel: Immerhin kann ich Ihnen zur Ehrenrettung der ARD versichern, daß von mir nicht ein einziges Mal verlangt wurde, einen Bericht politisch umzuschreiben. Dennoch haben Sie recht, mir hat erst jüngst ein Journalist einer großen deutschen Tageszeitung eingestanden, daß er längst nicht alles schreiben könne, was er für richtig erkannt habe – ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen. Und natürlich hat es das auch damals schon gegeben. Auch schon früher hat man sich vom Mainstream manchmal mitreißen lassen. In der Zeit der Euro-Einführung sagte mir ein Kontaktmann aus dem Finanzministerium: „Die Zahlen der Griechen stimmen hinten und vorne nicht. Aber das ist Schröder und seinen Amtskollegen egal.“ Auf diese Weise wurde der Beitritt Athens einfach durchgewinkt. Damals dachte man: Nicht an allem kritteln, kleines Land, macht nichts.

Wie haben Sie reagiert?

Hampel: Ich muß zugeben, ich dachte genauso. Das haben wir geschluckt, ich bereue das, und ich rate meinen Kollegen heute zu mehr Wachsamkeit. Wie oft passiert es, daß in einer Zeitung ein Artikel erscheint, der dem Autor dann vom Publikum um die Ohren gehauen wird. Das sollte nachdenklich machen. Ebenso wie der Erfolg der AfD. Millionen Bürger haben offensichtlich ihr Vertrauen in die etablierte Politik völlig verloren. Dies nicht erkannt zu haben, ja trotz überwältigender Leser- und Zuschauerkritik dagegen anzuberichten, ist der Sündenfall unserer Medien schlechthin. Sie haben sich damit mit dem Machtkartell der Politik gemein gemacht, das nur noch zum eigenen Nutzen und langfristig zum Schaden unseres Landes herrscht.

Inwiefern?

Hampel: Wenn ich mir die Politik ansehe, die unsere Politiker in Brüssel machen, dann erscheint mir das oft eher wie eine Politik gegen statt für unser Land. Die meisten Medien klären darüber aber nicht auf. Nehmen Sie nur die unselige Regelung der neuen Glühbirnen, die wie wir heute wissen auch noch hochgiftige Inhalte haben, gar in den Sondermüll gehören. Da hätten die Medien Sturm laufen müssen. Aber kaum einem ging diesbezüglich ein Licht auf.

Wie reagieren eigentlich Ihre ehemaligen Kollegen auf Ihr AfD-Engagement?

Hampel: Die meisten finden es ganz interessant, selbst wenn sie nicht meiner Meinung sind.

Keine negativen Reaktionen?

Hampel: Ein paar wenige kennen mich nicht mehr. Da freue ich mich, daß ich sie auch nicht mehr kennen muß.

In der AfD gibt es einen liberalen und einen konservativen Flügel. Zu welchem zählen Sie sich?

Hampel: Ich sehe mich als Bürger, als Citoyen im humanistischen Sinne und die AfD eigentlich gar nicht als Partei, sondern als Bürgerbewegung. Und daher gefällt es mir, daß sich hier viele verschiedene Strömungen zusammenfinden. Natürlich werden die Medien auch immer etwa einen bibeltreuen Christen finden, anhand dessen sie der AfD „Fundamentalismus“ nachweisen zu können glauben, aber das ist Quatsch.

Sie sind ein Medien-Profi, warum sind Sie Landesvorsitzender und nicht als Experte in der Bundesführung der Partei?

Hampel: Das hat sich so ergeben und verschafft mir Zeit. Denn auch Politik ist ein Fach wie jedes andere, das man von der Pike auf lernen muß.

Auf der Europawahlliste stehen Sie auf Platz neun – eher unwahrscheinlich, daß Sie einziehen werden.

Hampel: Da bin ich optimistischer. Wir liegen in den Umfragen bereits zwischen sechs und acht Prozent – ohne daß wir bisher ein einziges Plakat aufgehängt haben! Außerdem sind die derzeitigen Themen so sehr unsere Themen, daß ich das Potential für bis zu zehn Prozent sehe.

Und wenn nicht?

Hampel: Keine Sorge, wir geben nicht auf.

 

Armin-Paul Hampel, der ehemalige Chefreporter der ARD ist Kandidat der Alternative für Deutschland für die Europawahl und Landeschef der Partei in Niedersachsen. Zunächst war Hampel Parlamentskorrespondent bei Sat.1 und RTL, bevor er 1991 zum MDR wechselte, wo er als Nachrichtenchef den Sender mit aufbaute. 1999 wurde er Mitgründer des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin, und bis 2003 war er Parlamentskorrespondent des Ersten. Neben der Innenpolitik spezialisierte er sich auf Verteidigungs-, Sicherheits- und Außenpolitik und berichtete auch als ARD-Auslandskorrespondent aus dem Mittleren Osten, Afrika, Asien und Osteuropa. 2003 wurde er Leiter des ARD-Studios Südasien. 2008 nahm er seinen Abschied. Im März 2013 trat er der AfD bei und ist seit November Landesvorsitzender in Niedersachsen. Geboren wurde Armin-Paul Hampel, der seine journalistische Karriere beim Bonner General-Anzeiger und beim Burda-Verlag begann, 1957, aufgewachsen ist er in Bonn und Detmold.

www.afd-niedersachsen.de

Foto: Europakandidat und Landeschef Hampel: „Als Parlamentskorrespondent zur Zeit der Euro-Einführung erinnere ich mich noch gut an all die Schwüre: ‘Maastricht ist unantastbar! Kein Bailout!‘“

 

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