© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/14 / 14. März 2014

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Lebt denn der alte Schock-Rocker noch? Ja, er lebt noch, er lebt noch, er lebt noch. Alice Cooper, inzwischen sechundsechzig und passionierter Golfspieler, springt so putzmunter wie eh und je umher. Vorigen Sonntag begeisterte der Wegbereiter schaurig-theatralischer Bühnenshows als Headliner der diesjährigen „Rock meets Classic“-Tour das Publikum im nur zu zwei Dritteln gefüllten Berliner Tempodrom. Selbst der verdächtig nach in seine Stempel verliebtem Bürokratenhengst aussehende, mit Sakko und Pullunder gekleidete Mittfünfziger ein paar Plätze neben mir gerät beim Auftritt von Alice Cooper aus dem Häuschen. Das Bild, wie er zu „House of Fire“, „No More Mr. Nice Guy“, „Welcome to my Nightmare“, „Poison“ und natürlich dem Klassiker „School’s Out“ die Arme schwenkt, erinnert freilich unwillkürlich an Angela Merkel und ihren ungelenken Torjubel im Fußballstadion bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft.

Akademische Bildung geht nicht zwangsläufig auch mit Herzensbildung einher.

Vor Alice Cooper treten noch andere Legenden der Rockmusik auf, allen voran Midge Ure (Ultravox), Joe Lynn Turner (Rainbow, Deep Purple) sowie Mick Box und Bernie Shaw (Uriah Heep). Sicher, der Zahn der Zeit hat auch an ihnen genagt; das weiße Hemd von Sänger Bernie Shaw spannt deutlich in der Taille. Doch darauf kommt es nicht an. Titel wie „Easy Livin’“ oder „Free Me“ klingen noch heute frisch, und das erstmals 1971 veröffentlichte „Lady in Black“ ist ohnehin für die Ewigkeit geschrieben.

Gespräch in der U-Bahn: Geduldig klärt die junge Mutter ihren etwa fünfjährigen Sohn über einen Familienvorfall auf; um was es genau geht, ist nicht zu verstehen. Der Junge hört aufmerksam zu, dann sagt er: „Oma hat gelogen.“ Pause. Man sieht förmlich, wie es in dem Kopf des Jungen rattert. Schließlich setzt er nach: „Oma wächst eine Pinocchio-Nase.“ Peng!, das sitzt, mehr gibt es für den kleinen Racker dazu nicht zu sagen. Kindern ist die Falschheit von Erwachsenen ja gottlob noch fremd, deswegen sprechen sie unverblümt. Wie das Sprichwort es besagt: Kindermund tut Wahrheit kund.

Das Projekt „Rock meets Classic“ ist im fünften Jahr seines Bestehens zu einer eigenständigen Marke geworden. Nach dem Tourauftakt in Berlin gastiert es bis Anfang April in verschiedenen deutschen Städten (Termine unter www.rockmeetsclassic.de). Gehen Sie hin! Cooper & Co. lohnen sich.

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