© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Recht auf Diskriminierung
Amerika streitet über Schutz von Christen
Thorsten Brückner

Über eine Woche lang diskutierte Amerika über den Wüstenstaat Arizona. Nachdem er bereits in der Vergangenheit mit kontroversen Einwanderungs- und Abtreibungsgesetzen für Aufsehen sorgte, hatte der Kongreß des Bundesstaates ein Gesetz erlassen, wonach sich Bürger künftig unter Berufung auf ihre religiöse Überzeugung weigern können, bestimmte Personengruppen zu bedienen beziehungsweise ihnen ihre Arbeitskraft zu Verfügung zu stellen.

Anlaß dafür waren verschiedene Vorfälle in anderen Bundesstaaten: So weigerte sich ein christlich-fundamentalistisches Paar, das im Bundesstaat Oregon eine Bäckerei betreibt, eine Torte für eine Lesbenhochzeit zu backen. Daraufhin wurden sie verklagt und mit hohen Bußgeldern belegt.

Besonders bösartig lief die Debatte über das Gesetz mit dem unscheinbaren Namen SB1062 unter Christen ab. Während sich konservative Evangelikale für das Gesetz stark machten, mit der Begründung, die Bibel verurteile Homosexualität, verwiesen liberale Christen empört auf die von Jesus geforderte Nächstenliebe. Eine Nächstenliebe, die liberale christliche Kolumnisten wie Fox-News-Expertin Kirsten Powers aber nicht einmal ihren konservativen Glaubensgeschwistern entgegenbringen wollten: In einem Beitrag verglich sie Anhänger des Gesetzes mit Unterstützern der Rassentrennung.

Warum Ausnahmen nur für Christen?

Auch Gouverneurin Jan Brewer, eine Republikanerin, trug mit ihrem Veto nicht zur Beruhigung der erhitzten Gemüter bei. Bei Homosexuellen-Aktivisten hielt die Freude über Brewers Nein nur wenige Stunden, bevor diese zum Angriff auf die Gouverneurin übergingen und fragten, warum eine so lange Bedenkzeit nötig war, um ein von „erzkonservativen Homohassern“ beschlossenes Gesetz abzulehnen. Für viele Konservative wurde Brewer zur Verräterin.

Eine Frage konnte jedoch keine der beiden Seiten beantworten: Warum soll sich ein privater Unternehmer nur unter Verweis auf seine religiösen Überzeugungen weigern dürfen, für jemanden zu arbeiten? Die Stimme der Vernunft in dem aufgeheizten Diskurs, in dem es am Ende immer weniger um bürgerliche Freiheitsrechte als um die biblische Sicht auf Homosexualität ging, kam von der libertären Aktivistin Julie Borowski: Nicht ein Sondergesetz für Christen, sondern die Abschaffung aller Anti-Diskriminierungsrichtlinien ist ihrer Meinung nach die passende Antwort auf den Tortenstreit von Oregon.

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