© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Dorn im Auge
Christian Dorn

Licht aus, Spot an! Hätte Ex-RAF-Terrorist Christian Klar – wie damals geplant – als Beleuchter am Berliner Ensemble angefangen, wäre er vorigen Sonntag wohl an der richtigen Stelle gewesen. Daß Sarrazins Auftritt dort von zwei Dutzend linksextremen Störern verhindert wurde, ist freilich schlagender Beweis für die These des Autors, daß der „Tugendterror“ in dieser Republik die Meinungsfreiheit einschränke. Allerdings bin ich überrascht, hatte ich doch geglaubt, daß diese Veranstaltung ohne Zwischenfälle über die Bühne ginge, weshalb ich auf einen Besuch verzichtet hatte.

Tage zuvor die Buchvorstellung im Haus der Bundespressekonferenz war dagegen ohne Aufregung und Proteste abgelaufen: Eine Handvoll Zeit-Redakteure übt sich in arroganter Abgeklärtheit, nur darauf wartend, daß Sarrazin sich verspricht, um ihn anschließend vorführen zu können. Da Sarrazin sich keine Blöße gibt, bleibt nur die Hausarbeit. Noch während der Lesung wird hektisch ein Auftrag in die Redaktion abgesetzt: „Godesberger Programm studieren!“ Zwei linke Besucher fachsimpeln am Ausgang über ihre neue Zumutung: „Das Buch zu lesen ist unmöglich, das macht einen so wütend!“ Darauf die andere: „Na, es geht ja, da man seine wütenden Anmerkungen daneben schreiben kann.“

Manchmal aber bleibt keine Zeit für Wut, etwa bei Sprachlosigkeit. So geschehen, als Patrick Bahners im Haus der Physikalischen Gesellschaft, eine Hausnummer neben Merkels Wohnsitz, sein Anti-Sarrazin-Buch „Die Panikmacher“ vorstellte. Am selben Abend war in Halberstadt mit „Friedensgebeten“ in der Liebfrauenkirche ein Auftritt Sarrazins wegen öffentlicher Anfeindungen aus der linken Ecke abgesagt worden. Die junge Frau hinter mir, aus dem hier vollzählig erschienenen Juste milieu von FAZ bis Süddeutsche, erklärte mir daraufhin, wie toll das sei: Zeige dies doch eine lebendige, funktionierende Debattenkultur – sie meinte die Verhinderung der Lesung, sprich: der Debatte.

Gesteigert wurde die Absurdität beim Empfang. Ein Holtzbrinck-Mitarbeiter mit Migrationshintergrund lobte Merkel für ihre Aussage, Sarrazins Buch sei „nicht hilfreich“. Begründung: Gerade weil sie es nicht gelesen habe, sei diese Äußerung stark. Zeige sie doch Macht und Handlungsfähigkeit. Kopfschüttelnd – eigentlich hätte ich laut lachen müssen – wollte ich gegen die Thesen von Bahners argumentieren, was aber – so der mir entschieden das Wort abschneidende Verlagsmitarbeiter – gar nicht möglich wäre, da ich das Buch ja noch nicht gelesen hätte.

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