© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schloßgespenst
Paul Rosen

Es ist vorbei. Der frühere Bundespräsident Christian Wulff ist freigesprochen worden. Die Affäre um fremdfinanzierte Reisen und ein feuerrotes „Bobby-Car“ ist damit beendet, aber das Gefühl von Erleichterung will sich in Berlin nicht einstellen. Wulff hat sich – das steht jetzt fest – keines Deliktes schuldig gemacht, das einen Rücktritt rechtfertigte. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident hat noch viel mehr verloren. Zum Verlust des Amtes kam das Zerbrechen der Familie hinzu. Viele zusammengewürfelte Familien, die man heute als „Patchwork“ bezeichnet, hatten Hoffnungen auf die junge Familie in Schloß Bellevue gesetzt, die vielleicht die katholische Kirche zu einer neuen Haltung gegenüber Wiederverheirateten bewegen könnte. Die Hoffnungen erfüllten sich nicht. Wulff ist zu einer Figur geworden, für die man Mitleid empfindet.

Konsequenzen aus der Causa Wulff gibt es nicht. Fragen von Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) stießen auf keine Resonanz. „Die Vorwürfe gegen Christian Wulff“, hatte Hintze festgestellt, „waren ohne jedes Maß. Was hat diese Skandalisierungsspirale in Gang gesetzt?“ Es war vor allem Springers Bild, die Kleinigkeiten wie das Bobby-Car und von Dritten bezahlte Rechnungen skandalierte, bis die Öffentlichkeit den Eindruck bekam, man habe es mit einer Staatsaffäre zu tun. Wulffs Anruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, dessen Inhalt an die Öffentlichkeit kam, zeigte aber auch, daß Wulff zur Krisenkommunikation unfähig war. Er war halt ein Schönwetterpräsident; früher, als er noch CDU-Politik machte, galt er als Idealbild eines Schwiegersohns: immer nur nett, nie bösartig oder hinterhältig. Von den Journalisten, die im Mittelpunkt der Skandalisierung standen, als sich „Medien gegenseitig bestätigt und immer neue Sachverhalte skandalisiert“ haben (Hintze), fehlte nach dem Freispruch jede Spur. Es handelt sich neben Diekmann besonders um seinen damaligen Politikchef Nikolaus Blome. Eine Entschuldigung und das Eingeständnis von Fehlern hätte Größe bewiesen. Die gibt es im deutschen Journalismus offenbar nicht mehr.

Wulff will sich jetzt als Rechtsanwalt in Hamburg niederlassen und sich auch wohl weiter im politischen Bereich aufhalten. Mit seinem Wort, der Islam gehöre zu Deutschland, hatte er in seiner kurzen Amtszeit den einzigen Akzent gesetzt, der auch über seinen Abgang aus Schloß Bellevue hinaus wirkte. Hintze weiß schon, wie es weitergeht: „Er kann zu Integrationsfragen und zum Verhältnis Deutschlands zur Türkei viel beitragen.“ Und tatsächlich plant der Ex-Präsident eine Reise in die Türkei, wo er mit dem Staatspräsidenten Gül sprechen will.

Das zeigt, daß Wulff seine politische Heimat wie zu CDU-Zeiten im seichten Berliner Zeitgeist-Milieu sieht. Zu einer Abrechnung mit einem politischen System, das – außer Hintze – nicht mehr zu ihm stand, als die Angriffe kamen, ist er nicht imstande. Zu einem Neustart außerhalb dieses Systems auch nicht. Und das zeigt eben, daß Wulf nicht nur eine tragische, sondern auch nur eine mittelmäßige Figur ist.

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