© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Frisch gepresst

Ernst Jünger I. Ab 1885 stand Goethes Nachlaß in Weimar der Forschung zur Verfügung. Die Goethe-Philologie nahm Fahrt auf, meldete bald einen „Sensationsfund“, das Manuskript des „Ur-Faust“. Die gleichzeitig einsetzende Inflation der Goethe-Biographien zeigte sich davon unbeeindruckt. Auch Herman Grimm schrieb 1887 zur Neuauflage seiner Goethe-Vorlesungen von 1877, die neuentdeckten Originale beträfen „so Unbedeutendes“, daß er seinen alten Text unberührt lassen könne. An diese geringe Durchschlagskraft philologischer Fleißarbeit fühlt sich erinnert, wer die im Bücherherbst 2013 als „kleine Sensation“ (FAS) gehandelte Edition aller Druckfassungen von Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ studiert. Sie kann das öffentliche Bild des Autors nicht verändern, sie zwingt auch die Literaturwissenschaft nicht zu nennenswerten Korrekturen. Sie bestätigt vielmehr den Weltbildwandel Jüngers „von der Tat zur Gelassenheit“ (David Morat), den Armin Mohler als Weg in die Sackgasse eines politisch impotenten „Gärtner-Konservatismus“ verspottete. Für die bibliophile Fraktion der Jünger-Gemeinde ist der Erwerb dieser beiden aufwendig gestalteten Bände natürlich trotzdem süße Pflicht. (ob)

Helmuth Kiesel (Hrsg.): Ernst Jünger. In Stahlgewittern. Historisch-kritische Ausgabe, Klett-Cotta, Stuttgart 2013, 2 Bände, zusammen 1.245 Seiten, Abbildungen, 84 Euro

 

Ernst Jünger II. Im Vergänglichen die beständigen „Signaturen“ zu erfassen, das ist die Geschäftsidee von Ernst Jüngers Autorschaft. Vor allem in den Essays der 1950er sowie in den Reisejournalen dieser Schaffensphase dominiert jener angestrengte philosophische Duktus, der für Carl Schmitt den typischen Stil des Autodidakten ausmacht. Für den Einstieg eignen sich „An der Zeitmauer“ oder „Am Sarazenenturm“ daher eher nicht. Hingegen ist das 1947 erstmals publizierte Tagebuch der Brasilien-Reise von 1936, „Atlantische Fahrt“, die ideale Anfängerlektüre, um einen großen Schriftsteller zu erleben. In der Tropenluft entspannt sich Jünger, die Freilegung der „Signaturen“ der südamerikanischen Flora und Fauna gelingt ihm spielerisch, unbelastet von späterer Manier. Die um Briefe erweiterte, mit einem instruktiven Nachwort versehene Edition Detlev Schöttkers macht dieses lange unbeachtet gebliebene Reise-Tagebuch nun abseits des Antiquariatsmarktes wieder zugänglich. (ob)

Detlev Schöttker (Hrsg.): Ernst Jünger. Atlantische Fahrt. „Rio – Residenz des Weltgeistes.“ Klett-Cotta, Stuttgart 2013, gebunden, 204 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro

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