© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Die Eine-Milliarde-Euro-Frage
KEF-Bericht: Ein Jahr nach dem Inkrafttreten der GEZ-Reform wird es Zeit für eine Gebührensenkung
Ronald Gläser

Versicherte der Techniker Krankenkasse staunten dieser Tage nicht schlecht, als sie einen Verrechnungsscheck über 160 Euro in der Post fanden. „Wir wollten uns für die Treue bedanken“, schreibt TK-Chef Jens Baas im Begleitbrief zu seiner Rückerstattung überzähliger KV-Beiträge.

Auf ein solches Schreiben warten deutsche Fernsehzuschauer auch weiterhin vergeblich. Rückwirkend werden Mehreinnahmen nicht erstattet. Aber dank sprudelnder Beitragseinnahmen sitzt der ARD/ZDF/Deutschlandradio-Beitragsservice, also die frühere Gebühreneinzugszentrale (GEZ), auf einem Überschuß von erklecklichen 1,15 Milliarden Euro. Den Deutschen steht nun eine Beitragssenkung ins Haus.

Was genau mit dem Geld geschieht, darüber entscheidet ein Geflecht aus Landespolitikern und Gebühren-Experten. Zunächst sind alle Augen auf Mainz gerichtet. Dort wird am 26. Februar der Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) vorgelegt. Bei dieser sechzehnköpfigen Kommission tragen die Intendanten der Sender vor, wieviel Geld sie benötigen.

Die Experten, unter ihnen vier Mitglieder von Landesrechnungshöfen, prüfen die Angaben und sprechen dann eine Empfehlung an die Landtage aus, die formal das letzte Wort haben. Die KEF hat vorab schon mitgeteilt: Die Gebühr, die für jeden Haushalt anfällt, muß reduziert werden.

Der teuerste Rundfunk der Welt

75 Cent. Das ist der Betrag, um den der Rundfunkbeitrag sinken soll. Macht 8,76 Euro pro Jahr. Immerhin. Weitere Veränderungen werden diskutiert, zum Beispiel die Entlastung von bestimmten „besonders belasteten Unternehmen“ (BR-Chef Ulrich Wilhelm). Oder ein werbefreies Programm ab 2017 (Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen).

Hauptsache, der Überschuß wird abgebaut. Geschieht dies nicht, so wird es erfahrungsgemäß nicht lange dauern, bis die Anstalten ein Auge auf den Schatz werfen und „Finanzierungslücken“ entdecken, die es zu schließen gilt.

Fürs erste ist die Haltung der Verantwortlichen bei der ARD allerdings solide. Lutz Marmor, Chef des Norddeutschen Rundfunks (NDR), äußerte sich auf der letzten Intendantentagung mehrfach zu den Gebühren mit dem Charme einer schwäbischen Hausfrau: „Das ist nicht unsere Entscheidung, sondern die der Länder“, beteuerte er mehrfach. Er rechne mit einer Entlastung.

Es gibt Gründe für diese defensive Haltung. Marmor weiß, wieviel Zorn die Reform vor mehr als einem Jahr ausgelöst hat. Alle Schreckensszenarien der GEZ-Gegner sind eingetreten: Dadurch, daß viel mehr Haushalte zahlen müssen, schwimmt der Beitragsservice im Geld. Dafür müssen jetzt auch Leute zahlen, die gar keinen Fernseher haben, die nie Radio hören. Einige Branchen werden über Gebühr belastet.

Wenn die Sender jetzt noch mehr Geld verlangten, dann wäre das letzte bißchen Glaubwürdigkeit verspielt. Deswegen seine Beteuerung: „Es ist ausgeschlossen, daß wir jetzt mehr nachfordern.“ Er wiederholte dies vier-, fünfmal auf der Pressekonferenz, so als wolle er diese Botschaft jedem einhämmern. „Es gibt ein klares Verfahren.“

Nachfrage einer älteren Dame mit kurzen Haaren, die sich als freie Journalistin zu erkennen gibt: „Müssen Sie nicht höhere Gebühren fordern, um die Selbstausbeutung der Kreativen zu beenden?“ Marmor bleibt hartnäckig. Auch wenn einige in den eigenen Reihen dies forderten, so „fordern wir nicht, daß man uns mehr geben müßte“. Basta.

Das Dilemma der Öffentlich-Rechtlichen

Das grundsätzliche Dilemma der Öffentlich-Rechtlichen wird dadurch aber nur aufgeschoben: Ihr Geschäftsmodell hat sich längst überlebt. Andere Medienformen saugen die Aufmerksamkeit des Publikums ab. Nur durch die Zwangsgebühren werden die großen Apparate am Leben erhalten. ARD, ZDF und Co. sind auch mit einem Sieben-Milliarden-Euro-Budget noch immer der teuerste Rundfunk der Welt. Aber die Zuschauer werden immer weniger.

Immerhin: Die Einschaltquoten 2013 sahen ARD und ZDF knapp vorne, sofern alle Zuschauer berücksichtigt werden. Die jüngeren hingegen schauen allerdings vorwiegend private Sender. ARD- und ZDF-Zuschauer sind eine aussterbende Spezies. Von den Dritten ganz zu schweigen.

Es kann übrigens sein, daß der Überschuß noch weiter wächst. Die Debatte ist mit der Reform immer noch nicht abgeschlossen. Es gibt sie noch, die Beitragsverweigerer, die noch nicht einmal angeschrieben worden sind, obwohl der Beitragsservice täglich 90.000 Vorgänge bearbeitet.

Auch darauf wies NDR-Chef Lutz Marmor hin. „Und der Meldedatenabgleich steht auch noch aus.“ Es ist denkbar, daß der Überschuß noch größer ausfällt. Auskunft darüber gibt es, wenn am Mittwoch der Bericht vorgelegt wird.

Foto: Teure Sportübertragungsrechte: Das ZDF verdankt hohe Einschaltquoten der Fußballberichterstattung

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