© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Ein Fest für Kinogänger
Rückblick auf die diesjährige Berlinale: 330.000 verkaufte Karten bedeuten Besucherrekord
Wolfgang Paul

Am Ende konnte Berlinale-Chef Dieter Kosslick einen neuen Besucherrekord verkünden: 330.000 Eintrittskarten sind in diesem Jahr verkauft worden. Somit ist Deutschlands größtes Filmfestival nicht nur ein wichtiges Ziel für das akkreditierte Fachpublikum, sondern auch ein Fest für die Kinogänger, die geduldig vor den Kassen Schlange stehen.

Hat sich das Warten an der Kinokasse gelohnt? Wenn man den Wettbewerb betrachtet, also den Kern der Filmfestspiele, so sind in diesem Jahr die großen Enttäuschungen ausgeblieben, denn kein Film war dabei, der die Zuschauer so langweilte, daß sie seine Festivaltauglichkeit ernsthaft bezweifeln mußten.

Mit einem Staraufgebot sondergleichen ging es los. Ralph Fiennes, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Bill Murray, Tilda Swinton und Edward Norton gaben sich auf dem Roten Teppich die Ehre, und sie sind nicht die einzigen Stars in Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“. Der Eröffnungsfilm erzählt die haarsträubenden Abenteuer eines legendären Concierge und seines Lobby Boys in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen. Für die liebevoll ausgestattete, bisweilen etwas alberne Komödie gab es den Großen Preis der Jury.

Kritischer Blick auf den Afghanistan-Einsatz

Ob Lars von Trier nach seinen Bemerkungen zu Hitler (JF 22/11) noch einmal nach Cannes eingeladen wird, weiß man nicht. Sein „Nymphomaniac Volume 1“ lief in der fast zweieinhalbstündigen Version, die – um rund 20 Minuten gekürzt – am Donnerstag dieser Woche in die Kinos kommt, außer Konkurrenz in Berlin. Dies war offenkundig Teil einer Vermarktungsstrategie. Der Film ist zwar weniger pornographisch als erhofft oder befürchtet, der Regisseur hat aber zuviel Spaß daran, die dekadenten Zustände zu zeigen, die zu kritisieren er vorgibt.

Erfreulich waren die deutschen Beiträge. Edward Berger, Grimme-Preisträger für den Fernsehfilm „Ein guter Sommer“, ließ den zehnjährigen Jack zusammen mit seinem jüngeren Bruder in Berlin nach der Mutter suchen, die sich ihrer Fürsorgepflicht entzogen hatte. „Jack“, der Film, hätte etwas radikaler ausfallen können, der naheliegende Vorwurf einer Fernsehästhetik war jedoch übertrieben.

Dominik Graf brachte mit „Die geliebten Schwestern“, der Geschichte von Friedrich Schillers Liebschaften, einen frischen Ton in den Historienfilm. Die Wienerin Feo Aladag warf in „Zwischen Welten“ einen kritischen Blick auf den Bundeswehreinsatz in Aghanistan, und Dietrich Brüggemann zeigte in 14 langen Einstellungen, wohin religöser Fanatismus führen kann. Für die ambivalente Passionsgeschichte, die ohne antiklerikalen Furor auskam, erhielt er zusammen mit seiner Schwester Anna den Silbernen Bären für das beste Drehbuch.

Publikums- und Kritikerfavorit war die fiktive Langzeitstudie „Boyhood“, für die Richard Linklater den Regiepreis bekam. Der Goldene Bär für den besten Film des Festivals ging an den chinesischen Krimi „Bai ri yan huo“ (Black Coal, Thin Ice) von Diao Yinan, der Silberne Bär für den besten Darsteller an Hauptdarsteller Liao Fan. So erinnerte die Jury unter Produzent James Schamus an die achtziger Jahre, als in Berlin das bildgewaltige chinesische Kino entdeckt wurde.

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