© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

„Ausgesprochen gute Voraussetzungen“
Wahl zum EU-Parlament: Linkspartei und SPD proben bei einer Veranstaltung in Berlin eine europapolitische Annäherung
Ekkehard Schultz

Für die Linkspartei brachte die Bundestagswahl zwei Ergebnisse: Einerseits verlor sie gegenüber 2009 mehr als ein Viertel der Stimmen, andererseits profitiert sie von den noch stärkeren Einbrüchen anderer Parteien – insbesondere von FDP und Grünen. Seither stellt sie die stärkste Oppositionspartei im Parlament dar.

Gleichwohl sind die Bemühungen unverkennbar, sich nicht nur auf diese Rolle zu beschränken. Vielmehr wird die Position dazu genutzt, um bereits im Vorgriff auf die kommende Wahl die wesentlichen Voraussetzungen für die von ihr ersehnte „linke politische Mehrheit“ zu schaffen. Die Voraussetzungen dafür sind nicht ungünstig, zumal inzwischen selbst der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel eine Intensivierung der bestehenden Kontakte befürwortet. Hinzu kommt das generelle Unbehagen des linken SPD-Flügels an der Bildung der Großen Koalition, von dem die Linkspartei profitieren könnte. Allerdings standen bislang der Bildung einer rot-dunkelroten Alternative auf Bundesebene vor allem die scheinbar unvereinbaren Positionen in der Europa- und Außenpolitik im Wege.

Einzug der AfD wäre „Katastrophe“

In diesem Sinne diente auch eine in der vergangenen Woche im Haus der IG Metall in Berlin-Kreuzberg veranstaltete Podiumsdiskussion unter dem Motto „Neustart – Ist EU-Kritik antieuropäisch?“ in erster Linie der Annäherung zwischen SPD und Linken, als einem Schlagabtausch unter Konkurrenten. Unter der Leitung von Diether Dehm (Linkspartei) tauschten dort Axel Schäfer (stellvertretender SPD-Fraktionschef), Wolfgang Gehrcke (stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion) sowie Ralf Krämer (Verdi und Linkspartei) ihre Positionen in einer eher familiär anmutenden Atmosphäre aus. So wurde in der Diskussion von Schäfer zunächst ohne größeren Widerspruch erörtert, warum die Linkspartei aus Sicht der SPD noch den Nachweis führen müsse, eine verantwortungsvolle Europapolitik zu gestalten.

Nach Schäfers Ansicht stelle die EU eine der „wichtigsten Errungenschaften der europäischen Linken“ überhaupt dar. Der Ansatz, durch eine möglichst enge wirtschaftliche wie soziale Verflechtung die Zeit der Kriege und des Nationalismus zu überwinden, habe sich letztlich – trotz aller berechtigten Kritik an einzelnen Entscheidungen und Vorgangsweisen – als Erfolgsrezept erwiesen. Deswegen sei es auch richtig, die EU in schrittweisen Reformen zu verbessern, nicht jedoch „durch Polemik und Pauschalkritik in Frage zu stellen“.

Zwar bestätigte Gehrcke, daß die Gründung der EU auch aus seiner Sicht eine „rationale Entscheidung der Nachkriegszeit“ gewesen sei. Auch verfolge nur eine kleine Minderheit von Abgeordneten der Linken einen Kurs, der auf die Forderung „EU auflösen!“ hinauslaufe. Gleichzeitig dürfe jedoch nicht übersehen werden, daß spätestens seit dem Lissabon-Vertrag eine Fehlentwicklung der EU zu erkennen sei. Die Gemeinschaft verfolge inzwischen einen „unverkennbaren Kurs zur Aufrüstung“ sowie „neoliberale Zielsetzungen“. Auf der anderen Seite neige die EU dazu, eine Reihe von Arbeitnehmerrechten zugunsten einer „einseitigen Freiheit des Wettbewerbs“ einzuschränken.

Krämer wies aus gewerkschaftlicher Sicht darauf hin, daß bereits im Maastricht-Vertrag „die Schwerpunktsetzung auf der Durchsetzung der Freiheit der Märkte“ gelegen habe. Demgegenüber seien die sozialen Standards zunehmend an den Rand gedrängt worden. Schäfer sah dagegen das Problem nicht in den Verträgen von Maastricht und Lissabon selbst, sondern in deren Ausgestaltung. Tatsächlich fänden sich „in faktisch allen europäischen Abkommen wichtige Werte“, wie etwa jener der Solidarität mit den Schwächeren. Wichtig sei es jedoch, „diese Akzente durch eine entsprechende Zusammenarbeit aller Linken in Zukunft stärker in den Vordergrund treten“ zu lassen, als es bislang der Fall sei und vor allem nicht „in wechselseitiger Polemik und wechselseitigen Feindbildern“ zu verharren. Dazu gehöre es auch, von der „absurden Vorstellung Abschied zu nehmen“, daß „die EU gerne die größte Militärmacht werden möchte“. Ansonsten seien jedoch – so Schäfer – „die Voraussetzungen für eine gemeinsame Arbeit von SPD, Grünen und Linken in Europa ausgesprochen gut“.

In diesem Zusammenhang betonte Gehrcke gleich mehrfach, daß sich die Bündnisfähigkeit zwischen SPD und der Linken bei den kommenden Europawahlen vor allem darin zeigen könne, im Wahlkampf „gemeinsam gegen die Alternative für Deutschland“ aufzutreten. Einen möglichen Einzug der AfD in das Europäische Parlament bezeichnete er als „Katastrophe“.

 

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen