© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/14 / 14. Februar 2014

Triumph der Homo-Lobby
Das Ja des Europaparlaments zum Lunacek-Bericht ist ein Angriff auf Demokratie und Meinungsfreiheit
Thorsten Brückner

Wir schreiben das Jahr 2025. Kurz vor Weihnachten klingelt es an der Haustür des Münchner Pastors Manfred Schwinghammer. Zwei Polizisten stehen an der Tür und fordern den Pastor einer Giesinger Freikirche zum Mittkommen auf. Gegen ihn läge ein Strafbefehl wegen Anstachelung zum Haß vor. Eine Predigt wenige Wochen zuvor war Schwinghammer zum Verhängnis geworden. Homosexualität sei in Gottes Augen eine Sünde, hatte er seiner Gemeinde Gottes Wort ausgelegt. Auch wenn Homosexuelle mittlerweile heiraten dürften: diese Beziehungen seien unnatürlich und würden von der Bibel verurteilt, lauteten die schockierenden Sätze des Predigers. Schwinghammer ist Wiederholungstäter. Wegen eines ähnlichen Haßdelikts bereits vorbestraft, muß er dieses Mal für seine Verfehlungen büßen: sechs Monate Haft lautet das Urteil des Richters.

Zur selben Zeit besucht der angehende Journalist Karl Franz in Hamburg die Publizistenakademie. Nachdem im Jahr zuvor einige Kolumnisten ihre Meinungsfreiheit mißbraucht und offen geschrieben hatten, sie hielten Homosexualität nicht für einen Asylgrund, konnte die rot-rot-grüne Bundesregierung nicht länger tatenlos zusehen. Mit Verweis auf geltendes Europarecht wurden alle Journalisten fortan zu einem vierwöchigen Kurs verpflichtet, in dem sie lernen, verantwortlich und mit der nötigen Sensibilität über Homo- und Intersexuelle zu schreiben. Höhepunkt des Kurses: Der gemeinsame Besuch einer Gay-Pride-Parade mit anschließendem ungezwungenem Austausch in geselliger Atmosphäre mit einem LGBT (lesbisch, schwul, bi- und trangender)-Aktivisten.

Mehr als ein Schreckensszenario

Martina Müller hat derweil ganz andere Sorgen. Nachdem sie noch zehn Jahre zuvor über die Frauenquote den heiß begehrten Job der Abteilungsleiterin einer großen deutschen Bank ergattert hatte, sorgt die neue Homo-Mainstreaming-Verordnung in der fast ausschließlich weiblichen Führungsspitze des Unternehmens zusehends für Wirbel. Zwar kann die mit einem Hausmann verheiratete zweifache Mutter ausgezeichnete Bilanzen vorweisen. Das Problem der Geschäftsleitung: Die acht weiblichen und zwei männlichen Abteilungsleiter sind alle heterosexuell. Damit werde das Ziel der Firma konterkariert, Maßnahmen für mehr Vielfalt am Arbeitsplatz umzusetzen.

Eine Beschwerde bei der Geschäftsleitung über die transsexuelle Charlotte, die Martina auf der Damentoilette ihr bestes Stück gezeigt hatte, brachte das Faß dann endgültig zum Überlaufen: Für Homo- und Transphobie sei in einer an Diversity-Grundsätzen orientierten Firma kein Platz. Der Chef der LGBT-Anti-Diskriminierungsstelle wird Martinas Nachfolger.

Abwegig? Wenn es nach dem Willen der österreichischen Abgeordneten Ulrike Lunacek und der Mehrheit des Europäischen Parlaments geht, handelt es sich hierbei keineswegs um ein allzu pessimistisches Schreckensszenario.

Der vom EU-Parlament vergangene Woche beschlossene „EU-Fahrplan gegen Homophobie“ , der von der österreichischen Feministin und bekennenden Lesbe Ulrike Lunacek eingebracht worden war, enthält gesellschaftspolitischen Sprengstoff. Nicht näher definierte Äußerungen gegen Homosexuelle sollen nach dem Willen der EU-Parlamentarier bald ein Fall für den Staatsanwalt sein. Besonders schizophren: An anderer Stelle fordert das Papier, „das Recht auf freie Meinungsäußerung konkret zu achten“. Klingt toll, aber was fällt laut dem Bericht darunter? Das Recht von LGBT-Personen, sich friedlich zu versammeln und frei zusammenzuschließen. Die Aufforderung an lokale Behörden, Gay-Pride-Paraden zu unterstützen, um so die Öffentlichkeit für „LGBT-Belange“ zu sensibilisieren.

Gleichbehandlungsrichtlinien für den Arbeitsplatz sollen neben Geschlecht, Religion, Weltanschauung und Behinderung künftig auf die sexuelle Orientierung ausgedehnt werden. Aber: Nicht einmal alle Homosexuellen fallen gleichermaßen darunter. Besonderes Augenmerk solle dem Bericht zufolge auf die „vielfache Diskriminierung und Gewalt“ gegen lesbische Frauen gelegt werden.

Auch vor der Pressefreiheit macht das Papier nicht halt: Journalisten, Dolmetscher und alle „im Bereich Asyl tätige Personen“ sollen „angemessene Schulungsmaßnahmen“ erhalten, um künftig mehr Verständnis für Homosexuelle aufzubringen. Kinder sollen an den Schulen „objektive Kenntnisse über Fragen der sexuellen Orientierung“ lernen, um die „Inklusion“ von LGBT-Personen auch dort voranzutreiben.

Und unter dem Punkt „Horizontale Maßnahmen zur Umsetzung des Fahrplans“ finden sich Formulierungen, die bereits aus Entschlußanträgen zum Gender-Mainstreaming bekannt sind. Die Kommission solle „die Grundrechte lesbischer, schwuler, bi-, trans- und intersexueller Personen bei sämtlichen relevanten Arbeiten“ einbeziehen, auch bei der „Überwachung von EU-Recht“ (und somit die Mitgliedsstaaten gängeln, falls diese den Forderungen der Homo-Lobby nicht eilfertig genug nachkommen).

Vom Gender- zum Homo-Mainstreaming

Das Ganze erinnert doch sehr an die Forderung, Frauenförderung zur Querschnittsaufgabe aller Politikbereiche zu machen. Das Gender-Mainstreaming würde so zum Homo-Mainstreaming erweitert. Übrigens: Bei der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 koordinierte Lunacek die Pressearbeit für eine linke Nichtregierungsorganisation. Die Konferenz gilt heute als die Geburtsstunde von Gender-Mainstreaming.

In allen künftigen Rechtsvorschriften, so präzisiert der Bericht, müsse die sexuelle Identität zu den Gründen gehören, aus denen Diskriminierung verboten ist. Anti-Diskriminierungsmaßnahmen, die die bisher Nicht-Diskriminierten diskriminieren. Oder für welchen Bewerber wird sich ein Arbeitgeber wohl entscheiden, wenn er eine von der Homo-Lobby unterstützte Diskriminierungsklage zu befürchten hat?

Daß der Bericht mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen wurde, ist der massiven Lobbyarbeit der LGBT-Gruppe im Europaparlament geschuldet, deren Vorsitzende – genau: Ulrike Lunacek ist. Mit über 150 Parlamentariern ist sie die größte aller 27 interfraktionellen Gruppen des Parlaments.

CDU-Abgeordnete unterstützen Lunacek

Was aber hat die Parlamentarier der EVP, zu der auch CDU/CSU gehören, dazu bewogen, einem solchen Dokument ihren Segen zu erteilen? Angetrieben von der ebenfalls in der LGBT-Gruppe engagierten 35jährigen (mit einem Mann verheirateten) Abgeordneten aus Malta, Roberta Metsola, die erst vor wenigen Monaten ins Parlament nachgerückt war, stellten sich gleich mehrere Dutzend Abgeordnete gegen das Nein ihrer Fraktion. War es die Angst, als homophob gebrandmarkt zu werden?

Die Liste der Schande umfaßte 68 Parlamentarier der EVP-Fraktion. Auch bei Abgeordneten der CDU rannte Lunacek offene Türen ein: Reimer Böge, Christian Ehler und Heinz Florenz stimmten mit Ja, fünf weitere Abgeordnete der Partei enthielten sich, darunter der frühere EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering.

Auch die Briten waren nach der aus Lunaceks Sicht erfolgreichen Abstimmung um eine menschliche Enttäuschung reicher. Nigel Farage, dessen Fraktion für Freiheit und Demokratie einen Gegenantrag eingebracht hatte, enthielt sich. Solche Dinge sollten auf nationaler Ebene entschieden werden, teilte sein Büro der JUNGEN FREIHEIT mit.

Einmal mehr bewahrheitet sich nun der Vorwurf, die ausufernde Anti-Diskriminierungsgesetzgebung ziehe immer neue Maßnahmen nach sich. So konterte Lunacek die Kritik an ihrer Initiative folgerichtig. Ähnliche Maßnahmen gäbe es ja bereits für die Integration der Roma, zur Unterstützung von Behinderten und um die Gleichheit der Geschlechter herzustellen.

Warum dann nicht auch Sonderrechte für Homosexuelle?

Foto: Ulrike Lunacek: Die 56jährige österreichische Grünen-Politikerin und bekennende Lesbe ist Urheberin eines „EU-Fahrplans gegen Homophobie“. Sie führt ihre Partei in die Europawahl am 25. Mai.

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