© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/14 / 14. Februar 2014

Debatte über Steuerhinterziehung
Glücksfall Alice Schwarzer
Ronald Gläser

Sind Bürger, die einen Teil ihres Geldes auf einem Schweizer Bankkonto gebunkert haben, Diebe oder Betrüger? Leute, die sich einen Dreck ums Gemeinwesen kümmern? Meistens ist es genau andersherum. Wie Roger Köppel kürzlich meinte: „Es sind nicht die schlechtesten, die ihr Geld in Sicherheit bringen.“

Wer die aktuelle Debatte um Steuergerechtigkeit verstehen will, sollte die Talkshows ausschalten und statt dessen einmal Finanzamtspost lesen. Regelmäßig verschickt das Finanzministerium Rundbriefe mit Titeln wie diesem: „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen und bei Gebäudereinigungsleistungen“. Es sind unlesbare Traktake, in unverständlichem Bürokratendeutsch – und sie sind Symptom für das, was in Deutschland schiefläuft. Unser Steuerrecht ist zu kompliziert. Es bestraft Leistung. Zudem verplempert der Staat das Geld, verteilt sofort soziale Wohltaten, wenn einmal nicht das Damoklesschwert des Staatsbankrotts über ihm hängt.

Nun steht Alice Schwarzer am Pranger. Linke Moralapostel haben jetzt ein Problem. Zwar ist die Emma-Chefin für sie eine Ikone der Frauenbewegung, andererseits ist Steuerhinterziehung aus ihrer Sicht „Diebstahl“ oder „Betrug an der Gesellschaft“. Vielleicht ist Schwarzers Nummernkonto daher ein Glücksfall für die Debatte über Steuergerechtigkeit. Bislang schüren die Medien das Feindbild des steuersäumigen Multimillionärs. Dabei lassen die Freunde des Steuerstaates außer acht, daß jemand wie Uli Hoeneß an die 50 Millionen Euro Steuern in Deutschland gezahlt hat. Das zählt jetzt nicht mehr. Er muß noch mehr zahlen. Und noch mehr. Und noch mehr. Der Staat kriegt den Hals nie voll. Besser wäre es, wenn Politiker und Meinungsmacher überdenken würden, warum Geld abgeflossen ist und womöglich auch weiter abfließen wird. Denn die wahre Ursache für Steuerflucht ist neben dem Gefühl, als der Ehrliche der Dumme zu sein, die Angst vor Enteignung. Eine Angst, die durch die augenblickliche Debatte nur noch weiter geschürt wird.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen