© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/14 / 14. Februar 2014

ADAC: Hiobsbotschaften reißen nicht ab
Wenn zwei dasselbe tun
Markus Brandstetter

Es gibt Dinge im Leben, die einen mehr enttäuschen als andere. Wenn ein Lehrer ein Kind mißbraucht, dann haben viele das Gefühl, dies sei doppelt so schlimm, als wenn ein x-beliebiger Nachbar das tut. Wenn die Stiftung Warentest beim Prüfen Kriterien anlegt, die sich weder nachvollziehen noch im empirischen Teil bestätigen lassen, dann ist das etwas anderes, als wenn ein Amazon-Kunde zu einem Produkt seine unwissenschaftliche Privatmeinung ins Internet hinausposaunt. Und wenn sich herausstellt, daß der größte Automobilclub der Welt bei der Wahl zum Lieblingsauto der Deutschen die abgegebenen Stimmen erst aufbläht und die Resultate der Wahl dann auch noch verfälscht, dann darf der Autofahrer, der genau von diesem Club unbestechliche Testergebnisse erwartet, sich wahrlich auf den Schlips getreten fühlen.

Es gibt im Leben und in der menschlichen Gesellschaft nicht mehr viele Tabus. Aber einige gibt es noch – und das sind vor allem solche, die bestimmte Werte betreffen. Werte wie Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind für Institutionen, die Millionen Menschen vertreten, eine Grundvoraussetzung, weil Mitglieder, die einen Beitrag bezahlen, ein Recht darauf haben, für ihr Geld neutrale und exakte Statistiken und Testergebnisse zu erhalten. Alles andere wäre Betrug.

Der ADAC ist der größte deutsche Verein, fast die Hälfte aller deutschen Autofahrer ist ADAC-Mitglied, die ADAC-Motorwelt ist das auflagenstärkste Magazin Europas. Der ADAC ist in Sachen Autos, Verkehr und Reisen eine Supermacht. Fahrzeuge, die im ADAC-Test gut abschneiden, werden öfter gekauft als solche, die durchfallen. Die Süddeutsche Zeitung berichtet von unhaltbaren Zuständen: Zahlen wurden frisiert, bei Statistiken gemauschelt, und beim Verkauf von Batterien an liegengebliebene Autofahrer sollen die Gelben Engel sich sogar bereichert haben.

Wirklich überraschend kommt das nicht. Das gute Abschneiden deutscher Autos bei so gut wie allen ADAC-Tests fällt seit Jahren auf. Ausländische Fabrikate wurden immer schon verbal durch den Kakao gezogen, auch wenn die Tests das nicht hergaben. Kein Mensch bestreitet, daß in Deutschland hervorragende Autos gebaut werden, aber die einzigen auf der Welt sind wir nicht.

Das Krisenmanagement des ADAC kann bislang nicht überzeugen. Im Gegenteil. In der aktuellen Ausgabe der ADAC-Motorwelt wurde zwar Selbstkritik geübt, aber nur in homöopathischen Dosen. Nun haben die Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte das Sagen, die der ADAC beauftragt hat, um die dringend nötige Selbstreinigung, die auch nach dem Rücktritt des Präsidenten noch nicht abgeschlossen ist, zu vollziehen. Sollten deren Untersuchungen ergeben, daß die Zahlen öfter und länger schon getürkt wurden, als bislang zugegeben, dann wird der größte deutsche Verein ein ernsthaftes Problem haben.

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