© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/14 / 14. Februar 2014

Suche nach dem Schwachpunkt
Bundestag: Aussteigerprogramme für Linksextremisten unter Beschuß
Lion Edler

Die Linkspartei im Bundestag scheint amüsiert zu sein. Man habe sich schon vor Beginn des vom Verfassungsschutz angebotenen Aussteigerprogramms gegen Linksextremismus gedacht, „daß Personen, die aus linken politischen Zusammenhängen aussteigen wollen, dazu nicht unbedingt auf die Hilfe des Inlandsgeheimdienstes angewiesen sind“, heißt es in einer kleinen Anfrage der Fraktion. Nach Erfahrung der Linkspartei „genügt es vielmehr, nicht mehr zum jeweiligen Gruppenplenum zu erscheinen und die 1.-Mai-Demo zu schwänzen“.

Ihren Spott begründet die Partei aber auch mit Zahlen über den Erfolg des Ausstiegsprogramms. Nach Angaben der Bundesregierung hatten ein Jahr nach Beginn des Projekts lediglich 33 Personen, die sich als ausstiegswillige Linksextremisten zu erkennen gaben, mit dem Verfassungsschutz telefonischen Kontakt aufgenommen. Doch die meisten Anrufe waren offenbar nicht ernst gemeint – nur in drei Fällen folgten persönliche Gespräche auf den Anruf. Lediglich ein einziger Linksextremist soll mit Hilfe des Programms die Szene verlassen haben, wobei unklar ist, ob der Verfassungsschutz dabei den entscheidenden Ausschlag gab. Süffisant fragt die Linkspartei daher in ihrer kleinen Anfrage, ob „auch im Jahr 2013 ein junger Mann oder eine junge Frau mit Hilfe des Verfassungsschutzes die linke Szene verlassen“ habe.

Doch die Kritik am Aussteigerprogramm entzündet sich nicht nur an dessen bislang überschaubarem Erfolg. Vorrangig geht es um Deutungshoheit und ideologische Interessen seitens der Kritiker. So beklagt die Linkspartei eine angeblich durch das Programm angestrebte „Gleichsetzung von Neofaschismus und Linksradikalismus als angeblich gleichermaßen die Demokratie gefährdende ‘Extreme’“. Eine solche Gleichsetzung verkenne jedoch „unter anderem, daß Elemente neofaschistischer Politik, wie etwa Rassismus, bis weit in die ‘Mitte’ der Gesellschaft hineinreichen.“ Außerdem vergebe der Verfassungsschutz das Prädikat „linksextrem“ häufig bereits „aufgrund der entschiedenen Ablehnung von Kapitalismus, Faschismus und Krieg“.

2010 hatte die damalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) ein Bundesprogramm gegen Linksextremismus gestartet, wofür jährlich 4,7 Millionen Euro ausgegeben wurden. Im Vergleich zu den 24,3 Millionen Euro, die die Bundesregierung jährlich für den Kampf gegen Rechtsextremismus ausgibt, nimmt sich das freilich eher bescheiden aus. Dennoch ist Schröders Nachfolgerin Manuela Schwesig (SPD) das Programm ein Dorn im Auge. Das Ministerium erhielt inzwischen ein Gutachten des Deutschen Jugendinstituts (DJI), das kein gutes Haar an den Projekten läßt.

„Unsinn schnellstens beenden“

Zur Zeit bestehe „kein Bedarf für einen das gesamte Bundesgebiet abdeckenden Programmbereich zum Thema pädagogische Prävention von ‘Linksextremismus’ im Jugendalter“, heißt es in dem Dossier, über das die taz berichtete. Die Gutachter kritisieren unter anderem den Berliner Verein Deutsche Gesellschaft, der bundesweite „Präventionsworkshops gegen (Links-)Extremismus“ durchführt. Den Referenten des Vereins ginge es „weniger um das kontroverse Ausdifferenzieren des Phänomens“ als um „eine argumentative Beweisführung der Gefährlichkeit von Linksextremismus“, heißt es da. Zudem sei der Inhalt der Veranstaltungen „überfrachtet“ und von „stark gesteuerten und wenig partizipativen Bildungsformaten“ geprägt.

Auch der Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen wirft das Gutachten eine einseitige Materialauswahl, „wenig Raum für Kontroversität“ und einen unausgesprochenen Totalitarismusverdacht gegen Linke vor. Dagegen bekräftigte der Gedenkstätten-Referent Gerold Hildebrand in der taz, es handle sich um ein schlüssiges Konzept, das sich über positive Reaktionen freuen könne. Daß sein Seminar den Linksextremismus mit Rechtsextremismus gleichsetze, sei ohnehin ein „Totschlagargument“.

Die politische Linke scheint indessen geradezu nach Schwachpunkten im Programm zu suchen, um den Kampf gegen Linksextremismus zu diskreditieren und auf den Rechtsextremismus abzulenken. „Die Gefahr für unsere Gesellschaft kommt von rechts“, sagte etwa die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic zum Bundesprogramm. Das Programm sei längst gescheitert, und überhaupt müßten angesichts des NSU „alle freien Ressourcen für den Kampf gegen Rechtsextremismus eingesetzt“ werden. Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Jan Korte, forderte Schwesig mit Blick auf die Bundesprogramme gegen Linksextremismus auf, „diesen Unsinn schnellstens zu beenden“. Mit dem Programm würde „auf Staatskosten offenbar politische Indoktrination von jungen Menschen betrieben“. Solche Einschätzungen sind über die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus freilich nicht zu erwarten.

Die CDU ließ unterdessen erkennen, weiter an dem Programm festhalten zu wollen. Zwar müßten „Erfahrungen, Methoden und Wege kritisch reflektiert“ werden, gab der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster zu bedenken. Das Ziel Linksextremismusprävention bleibe jedoch „uneingeschränkt richtig“.

Foto: Linksextremisten auf einer Demonstration in Hamburg: Gleichsetzung als Totschlagargument

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen