© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/14 / 14. Februar 2014

Ercan Karakoyun. In der Türkei ringt Gülen um die Macht, auch bei uns ist die Bewegung aktiv
Nett und adrett
Günther Deschner

Das Gesicht der Gülen-Bewegung in Deutschland heißt Ercan Karakoyun. In der Türkei liefert sich diese derzeit einen erbitterten Machtkampf mit Premier Erdogan. Denn die Anhänger des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen (JF 53/13), ehemals ein Verbündeter Erdogans, haben den türkischen Justizapparat infiltriert und gehen nun gegen Erdogans Getreue vor. Der überraschend heftige Konflikt hat den 71jährigen Gülen, der sich als „Gandhi des Islam“ inszeniert, in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, auch in Deutschland, wo seine Jünger seit fast zwanzig Jahren aktiv sind.

Einer der größten Erfolge à la Gülen ist etwa das Tüdesb-Gymnasium in Berlin. Es hat einen guten Ruf, kleine Klassen, motivierte Lehrer, moderne Ausstattung. Die Schüler, meist türkischer Herkunft, sprechen Türkisch und Deutsch, der Unterricht folgt dem Berliner Lehrplan – statt „Religion“ wird „Ethik“ unterrichtet. Bildung, Disziplin und Modernität: sprich vorbildliche Integration, ist das Markenzeichen Gülens.

Ähnliche Schulen gibt es in Köln, Stuttgart und anderen deutschen Großstädten; dazu kommt ein Netz von etwa 300 Nachhilfeinstituten. Dabei sind die Schulen darauf bedacht, keinen institutionellen Bezug zur Gülen-Bewegung herzustellen. Formal gibt es „die“ Gülen-Bewegung in Deutschland nicht, alle Einrichtungen operieren offiziell getrennt: Gülen, das ist ein Netzwerk. Doch bei Freizeitangeboten, Nachhilfeeinrichtungen und in „Lichthäuser“ genannten Wohnheimen, von denen es allein in Berlin an die zwanzig gibt, werde moralischer Druck ausgeübt, für die Bewegung zu spenden und sich an deren Aktivitäten zu beteiligen, so Kritiker. Und hinter der modernen Fassade würden fundamentalistische Inhalte vermittelt. Es sei „wie bei einer Sekte“, kritisierte die Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek.

Ercan Karakoyun, die Haare kurz geschnitten und in korrektem Anzug, leitet die „Stiftung Dialog und Bildung“ und das „Forum für interkulturellen Dialog“. Hier ist man offener: Ehrenvorsitzender ist Fethullah Gülen, und im Beirat sitzen Rita Süssmuth sowie ein angesehener Berliner Rabbiner. Karakoyun, 1980 als Sohn türkischer Einwanderer im Ruhrgebiet geboren, studierte als Friedrich-Ebert-Stipendiat Raumplanung und Stadtsoziologie. Im Regal seines Berliner Büros stehen neben den Texten von Gülen das „Tagebuch der Anne Frank“ und die „Bibel in gerechter Sprache“. Wenn Karakoyun spricht, fließen Milch und Honig: „Unsere Botschaft“ so der freundliche 33jährige, „ist Multireligiösität ... Fethullah Gülen hat sich vielleicht als erster in der Türkei für ethnische und für religiöse Minderheiten stark gemacht.“

Was wirklich hinter Gülen steckt, weiß keiner, der Blick in die Türkei allerdings stimmt skeptisch.

www.dialog-und-bildung.de

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