© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

Knapp daneben
Wenn Kinder zur Rarität werden
Karl Heinzen

Auf der jüngsten Nürnberger Spielwarenmesse war von Kummer über die demographische Entwicklung kaum etwas zu spüren. Die Zahl der Kinder in unserem Lande ist zwar dramatisch im Sinkflug. Die Branche, die die Produkte zu ihrer Bespaßung anbietet, sieht sich dennoch im Aufwind. Um 1,5 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro stieg ihr Umsatz im vergangenen Jahr. Branchenkenner halten es für möglich, daß sich das Wachstum 2014 sogar verdoppeln könnte.

Für die unserem Land noch verbliebenen Kinder ist dies eine gute Nachricht. Je mehr sie als Rarität empfunden werden, desto größer scheint die Bereitschaft zu sein, für sie tief in die Tasche zu greifen. Finden sich in der eigenen Familie immer weniger Spielgefährten und dünnt auch die Zahl der Gleichaltrigen in der Nachbarschaft zusehends aus, müssen sich Eltern eben etwas einfallen lassen, um den Nachwuchs zu beschäftigen und damit als Streßfaktor zu neutralisieren. Zweckloses Spielen ist dennoch nicht angesagt. Die meisten Eltern hängen der Utopie an, daß aus ihren Kindern etwas werden sollte und sie bestmöglich auf die komplexe Welt von morgen vorzubereiten sind.

Spielsachen, die archaische Fertigkeiten wie Backen, Kochen oder Gärtnern nahebringen.

Dies mag im Prinzip früher nicht anders gewesen sein. Heute jedoch sind Kleinstfamilien der Regelfall. Um so größer ist die Panik der Eltern, daß mit dem spärlichen Nachwuchs etwas schiefgehen könnte. Der sentimentale Wunsch, ihn mit vordigitalem Kram der eigenen Jugend zu quälen, tritt daher hinter dem Kalkül zurück, ihn von klein auf an Technik zu gewöhnen. Folglich wächst der Absatz von Jugendelektronik im zweistelligen Bereich, und auch klassisches Spielzeug wird heute digital nachgerüstet.

Allerdings war in Nürnberg auch ein scheinbar gegenläufiger Trend auszumachen. Immer mehr drängen Spielsachen auf den Markt, die mit einfachsten Mitteln archaische Fertigkeiten wie Backen, Kochen oder Gärtnern nahebringen. Rückwärtsgewandt ist dies nicht. Wenn die Energiewende greift, der Strom knapp wird und wir wieder zu Selbstversorgern werden, sind jene Menschen im Vorteil, die schon als Kinder mit dem primitiven Leben konfrontiert wurden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen