© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

„Am besten schließen wir uns Norwegen an“
Shetlands: Auf den zu Schottland gehörenden Inseln regt sich Widerstand gegen das Unabhängigkeitsreferendum
Volker König

Es weht oft ein rauher Wind durch die Straßen von Lerwick, der kleinen Hauptstadt der Shetlandinseln. Rauh klingt auch der Dialekt der 24.000 Insulaner, in deren Englisch sich viele altnordische Wörter mengen. Die Shetlands, nördlichster Teil Großbritanniens auf halbem Wege zwischen Schottland und Norwegen, sind eine Welt für sich.

Nun ist Unruhe in die Abgeschiedenheit gekommen. Dies liegt nicht daran, daß Mitte vergangener Woche das traditionelle Up-Helly-Aa-Fest in Lerwick stattfand, bei dem Freizeit-Wikinger durch die Straßen ziehen, bei Fackelschein und unter Schlachtgebrüll ein Langschiff mit obligatorischem Drachenkopf anzünden und hernach bis in die Morgenstunden in eigens errichteten „Dancehalls“ an ihre skandinavischen Wurzeln erinnern.

Shetland-Politiker Scott legt Finger in die Wunde

Schuld daran ist das vom schottischen Premier Alex Salmond und seiner Schottischen Nationalpartei (SNP) initiierte Referendum, bei dem die Schotten am 18. September 2014 über ihre Unabhängigkeit von Großbritannien entscheiden sollen. Das Referendum wird auf den nordischen Inseln mit Skepsis gesehen.

Tavish Scott, liberaldemokratischer Repräsentant der Inseln im schottischen Parlament, und sein Parteifreund Liam McArthur warteten mit dem Vorschlag auf, die Inseln mögen im Falle eines Erfolges des schottischen Unabhängigkeitsreferendums bei Großbritannien verbleiben. „Uns steht London gleichermaßen fern wie Edinburgh. Unsere Beziehungen sind traditionell nach Osten, nach Norwegen, ausgerichtet“ erklärte Scott gegenüber dem Observer. In einem unabhängigen Schottland fürchten viele Insulaner eine Tendenz zur Zentralisation. Und Edinburgher Begehrlichkeiten nach dem Reichtum, der sich rund um die Inseln erstreckt: Gas- und Erdölfelder.

In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts brachte die Erschließung der Öl-Ressourcen vor allem nordöstlich des Archipels den Shetlands einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung. Das „Shetland Islands Council“, die Selbstverwaltung der Inseln, konnte erreichen, daß ihnen die Kontrolle der für die Öltanker unerläßlichen Tiefwasserhäfen oblag und sie Anteil an jedem geförderten Barrel Öl bekommen. Diese Gelder fließen in einen Fonds, der vor allem für den Umweltschutz geschaffen wurde. Gleichzeitig wuchs auf den Inseln die Rückbesinnung auf die regionale Identität.

Die Inselbewohner stehen nicht nur aufgrund ihrer bis ins 19. Jahrhundert gebrauchten eigenen Sprache, den skandinavischen „Norn“, den Norwegern näher als den keltischen Schotten. Bis ins 15. Jahrhundert waren sie Teil des dänisch-norwegischen Königreiches. Dann brachte Königin Margarete von Norwegen die Shetlands und die benachbarten Orkneys als Mitgift in die Ehe mit dem schottischen König James III. 1471 annektierte Schottland die Inseln und setzte als königliche Verwalter und Steuereintreiber „tacksmen“ ein, die sich schnell unbeliebt machten.

Vor diesem Hintergrund hat die SNP keinen leichten Stand auf den Inseln, auch wenn Jean Urquhart, die shetländische Repräsentantin der Nationalisten in Edinburgh versichert, ein unabhängiges Schottland würde die Selbstverwaltung der Inseln nicht antasten. Lediglich 12 Prozent machten bei den Parlamentswahlen 2011 ihr Kreuzchen bei der SNP gegenüber 47,5 Prozent bei den Liberaldemokraten und 30 Prozent bei den autonomiefreundlichen Independents. „Alles, was die Shetlands von Schottland je bekamen, waren teures Mehl und gierige Minister“ lautet ein altes Sprichwort auf den Inseln. In den Pubs kann man immer wieder hören, was die Alternative wäre: „Am besten schließen wir uns Norwegen an.“ Formell besteht noch ein norwegischer Souveränitätsanspruch, da Oslo die Inseln 1468 an Schottland verpfändete – aber nie offiziell abtrat.

Foto: Freizeit-Wikinger paradieren durch Lerwick: Nicht nur beim Up-Helly-Aa-Fest zeigen die Shetländer ihre Verbundenheit zu Skandinavien

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