© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

Röschens Revier
Ursula von der Leyen: Weiche Themen und harte Bandagen sind ihr politisches Erfolgsrezept
Christian Vollradt

Da haben viele nicht schlecht gestaunt, als bei Bekanntgabe der Ressortverteilung in Angela Merkels zweiter Großer Koalition der Name Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin genannt wurde. Ausgerechnet die? Was sollte die 55jährige CDU-Politikerin, die sich bisher in keiner Weise mit Sicherheitspolitik oder militärischen Belangen befaßt hatte, zur Chefin der Bundeswehr befähigen? Die ehemalige Familienministerin, die Elterngeld und Vätermonate erfunden hatte, die Arbeitsministerin mit der „Lebensleistungsrente“...?

Die ersten Schritte im Amt schienen den Skeptikern recht zu geben: Beim Antrittsbesuch in Afghanistan brachte die Neue noch die Dienstgrade durcheinander, auf dem Übungsplatz des Heeres fremdelte sie mit dem militärischen Großgerät. Doch geschickt wußte von der Leyen ihre Schwäche in Stärke umzumünzen.

Karriere beginnt mit Einsatz der Ellenbogen

So setzte die gelernte Medizinerin ein erstes Zeichen, indem sie ihre politische Kernbotschaft aus den früheren ins aktuelle Ressort verpflanzte: Die Truppe müsse familientauglicher und frauenfreundlicher werden. Denn: „Das Wichtigste ist der Mensch, das Wichtigste sind nicht die Kosten.“ Fürsorglichkeit in Flecktarn. Selbst als sie vergangene Woche auf der Münchner Sicherheitskonferenz über den Beitrag Deutschlands zur militärischen Konfliktlösung sinnierte, vergaß die Verteidigungsministerin nicht den Hinweis auf die „humanitäre Sicht“.

Weiche Themen, harte Umsetzung – das ist das Erfolgsrezept der Ursula von der Leyen. Darin ähnelt sie stark einer anderen christdemokratischen Seiteneinsteigerin: Rita Süssmuth. Wie Helmut Kohls frühere Frauenministerin setzt auch von der Leyen – gegen mehr oder weniger starke Widerstände in den eigenen Reihen – auf „moderne“, linke gesellschaftspolitische Mehrheitspositionen und vermittelt nach außen ein „Kümmerer“-Image; so etwas bringt in Deutschland den Ruf der Querdenkerin ein.

So brachte von der Leyen etwa mit ihrem Plan, die staatlich geförderten Krippenplätze zu verdreifachen, Finanzpolitiker wie Konservative in der Fraktion auf die Palme. Volker Kauder wies als Fraktionschef seinerzeit auf die „Kleiderordnung“ hin: das Parlament kontrolliere die Regierung und nicht umgekehrt. Soweit die Theorie. Die Fraktion mußte dann jedoch erleben, daß sich die Kanzlerin hinter ihre Familienministerin stellte.

In 14 Monaten Regierung habe es mehr Frustrationserlebnisse gegeben als in sieben Jahren Opposition, so das bittere Resümee eines Wolfgang Bosbach im Jahr 2007. Wie wenig von der Leyens Politikstil zu ihrem weichen Image paßt, erfuhr nicht zuletzt ihre Nachfolgerin im Amt der Familienministerin, Kristina Schröder, der die Parteifreundin mit ihrem Beharren auf einer festen Frauenquote systematisch in den Rücken fiel.

Schaut man auf von der Leyens politischen Karrierestart, sind solche Ellenbogeneinsätze kaum verwunderlich. 2001 bewarb sich die promovierte Ärztin und siebenfache Mutter in der Niedersachsen-CDU für eine Landtagskandidatur. Nicht an ihrem Wohnsitz, sondern im früheren Wahlkreis ihres Vaters Ernst Albrecht, bis 1990 Ministerpräsident des Landes. Dazu mußte allerdings erst der langjährige Abgeordnete Lutz von der Heide aus dem Weg geräumt werden, was „Röschen“ – so der familieninterne Spitzname – mit Hilfe von Papa, Parteigranden und der Hannoveraner Bild-Redaktion in einer Bilderbuch-Intrige schließlich auch gelang.

Im August 2005 dann der nächste Karrieresprung, als Angela Merkel die damalige niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit in ihr Kompetenzteam holte; wohlwollend gefördert von Christian Wulff, damals Ministerpräsident in Hannover, der so eine Niedersächsin (ohne eigene Hausmacht) in Berlin plazieren konnte.

Am Wahlabend des 22. September des vergangenen Jahres konnte man beobachten, wie sich von der Leyen die ganze Zeit am Rand der Bühne unweit der wartenden Journalisten aufhielt; lauernd, um in dem Moment, als Merkel sich dort für ihre erste Ansprache vor den jubelnden Parteimitgliedern und der Presse aufbaute, blitzschnell auf die Bühne zu stürmen und sich kameratauglich neben der Wahlsiegerin zu präsentieren. Seht her, da bin ich, ganz nah dran ...

Merkel, Machtpolitikerin par excellence, hat von der Leyens Ehrgeiz wahlweise befördert oder ausgebremst. Letzteres, als sich die Ministerin in Stellung brachte, um als Nachfolgerin von Horst Köhler 2010 erste Frau an der Spitze des Staates zu werden. Dem Kalkül der Kanzlerin verdankt von der Leyen auch ihr aktuelles Amt: erstens, weil Merkel es ihr fachlich zutraut, die politische Schlangengrube Bendlerblock zu bändigen. Zweitens, weil das Damoklesschwert eines möglichen Scheiterns (oder auch nur Fast-Scheiterns, siehe Thomas de Maizière und das Drohnen-Debakel) die potentielle Nachfolgerin – und damit Konkurrentin – gebührend auf Abstand hält.

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