© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

28 Kandidaten für Brüssel
Alternative für Deutschland: Die Euro-Kritiker vervollständigt in Berlin ihre Liste für die Europawahl am 25. Mai
Lion Edler

Auch wenn es der Alternative für Deutschland beim Parteitag in Aschaffenburg nicht gelang, ihre Kandidatenliste für die Europawahl fertigzustellen (JF 6/14): Die Eurokritiker strotzen vor Selbstbewußtsein, als sie am vergangenen Wochenende in Berlin mit dem Parteitag fortfahren. Parteisprecher Konrad Adam bringt die Delegierten in Stimmung. Das deutsche Parlament verkomme zum „Schoßhund der Regierung“, schimpft Adam, der eine Woche zuvor mit seiner Kandidatur für das Europaparlament gescheitert war. Dagegen entwickle sich in der EU zunehmend eine „veritable, sachlich begründete Opposition“.

Dazu will auch die AfD beitragen, doch mußte sie dazu zunächst ihre Kandidatenliste komplettieren, die in Aschaffenburg nur bis Listenplatz sechs gefüllt wurde. Doch schon die Diskussion über die Modalitäten der Wahl führt dazu, daß der Parteitag ins Stocken gerät und Unruhe aufkommt. Immer wieder gibt es Nachfragen und Einwände bezüglich der Redezeit für die Kandidaten. Parteisprecherin Frauke Petry wirkt zunehmend gereizt, will ihre Erläuterungen nicht ständig wiederholen. Doch die Chemikerin zeigt sich durchsetzungsstark und läßt sich gar nicht erst auf längst abgehakte Diskussionen ein. Endlich kann die Wahl der Listenplätze beginnen.

Für Listenplatz sieben kandidiert der frühere Landessprecher von Nordrhein-Westfalen, Alexander Dilger. In seiner Bewerbungsrede führt Dilger auch ins Feld, daß bislang kein Kandidat aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland zum Zuge kam – auch wenn es in der AfD „keinen Länderproporz“ gebe. Inhaltlich bekennt Dilger sich zum Ziel eines „Europas der Vaterländer“, da es kein europäisches Staatsvolk gebe. Doch am Ende setzt sich Marcus Pretzell durch, der ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen anreiste und bereits in Aschaffenburg mehrfach kandidiert hatte – unter anderem gegen Hans-Olaf Henkel für Platz 2.

Auf Listenplatz acht siegt der Philosoph Marc Jongen, der sich im Vorfeld des Parteitags mit einem Cicero-Essay über die Rolle der AfD als „konservative Avantgarde“ profilierte. „Genuin liberal zu sein“, so der Assistent des Philosophen Peter Sloterdijk an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, heiße heute, „konservativ zu sein. Zuweilen sogar reaktionär.“ Jongen entwirft „die Vision eines Deutschlands, dessen Weltoffenheit nicht einem verdrucksten schlechten Gewissen, sondern einem gesundeten Selbstbewußtsein entstammt“. In seiner Rede kritisierte Jongen die Gender-Mainstreaming-Theorien als „Gleichschaltung“ und pries den Schutz der deutschen Sprache als eine „Kernaufgabe“ der AfD.

Die Wahl um Listenplatz neun gewinnt der frühere ARD-Korrespondent Paul Hampel, der von einer Delegierten gefragt wird, ob Berichte zuträfen, wonach er den russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Politik verteidigt habe. Hampel sagt, er habe in bezug auf Michail Chodorkowski zumindest „Verständnis“ für Putin, denn Chodorkowski sei nun mal „kein Bürgerrechtler“, sondern ein „unternehmerischer Krimineller“. Die Kritik an überzogener Putin-Schelte kommt an bei den Delegierten: Starker Applaus goutiert Hampels Ausführungen.

Als dann der ehemalige BDI-Präsident und Europawahl-Kandidat Hans-Olaf Henkel ans Mikrofon tritt, sind die Delegierten im Saal nicht mehr zu halten. Offensiv wehrt Henkel sich gegen den Vorwurf des „Populismus“ gegen die AfD: „Populismus heißt, fürs Volk da zu sein.“ Wegen der Europolitik sei das deutsch-französische Verhältnis nach dem Zweiten Weltkrieg noch nie so schlecht gewesen wie heute; auch Großbritannien drohe wegen der Euromisere aus der EU getrieben zu werden.

Für die AfD hat mit der Aufstellung ihrer Europaliste, die insgesamt 28 Kandidaten umfaßt, der Wahlkampf begonnen. Ende März ist ein Programmparteitag in Erfurt geplant, auf dem es reichlich Diskussionsbedarf geben dürfte. Doch zunächst einmal gilt es für die Partei, bis Ende des Monats 4.000 Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Schon jetzt hat die Parteiführung in einem Strategiepapier fünf Zielgruppen identifiziert, um die im Europawahlkampf ganz besonders geworben werden soll: Neben den Euro-Skeptikern sind dies liberal-konservativ eingestellte Bürger, Protest- beziehungsweise Nichtwähler, sowie Wähler in Wahlbezirken mit geringem Durchschnittseinkommen.

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